25. Januar 2017
Jedes Konzert von Jordi Savall ist Balsam für die Seele. Fast grenzenlose Perfektion und Charisma kommen daher wie nette Beiläufigkeiten. Alles ist wie selbstverständlich bei sich, alles organisch und unverstellt, ohne theoretisierenden Überbau, pragmatisch im hier und jetzt. Hirn trifft Bauch. (Spiel)technische Schwierigkeiten hat nur das Publikum bei der Einnahme der Sitzplätze.
Savall nimmt sich die Freiheit, Stücke ganz anders zu spielen als andere es sich zu trauen und denken wagen würden. Vielleicht hat er nur das Glück, als Hispanier die traditionelle spanische Musik der Renaissance und des Barock gleich aus zwei Richtungen aufladen und dynamisieren zu können: mit aus Lateinamerika importierten musikalischen Elementen sowie mit dem Erbe von Al-Andalus. Aber das greift zu kurz: er ist vor allem ein Musiker, der sich Material grundsätzlich nach eigenem Gusto für sich selbst zurechtlegt, arrangiert und bearbeitet. Dies feststellen und betonen zu müssen ist beinahe eine Bankrotterklärung für den üblichen Musiktertypus des normalen Musikbetriebs, in dem der Eingriff in Kompositionen und das Collagieren von Material ein Tabu sind.
Man mag gerne darüber streiten, ob der Eingriff von Musikern in eine Komposition legitim oder strafbar ist, aber Musizieren heißt immer Material und Idee zu interpretieren und das in deutlich weiterem Sinne, als wir es uns in ziemlich kleinlicher Weise gestatten oder zugeben. Sehr lange Zeit wurden mit der Notenschrift nur Material und Ideen skizziert, nicht notiert wurde dagegen Verständnis darüber, was damit zu tun ist und welche Freiheiten ich als Musizierender habe und auch nutzen soll(!).