Kommenden Sonntag Peter Feldmann wählen!

19. März 2012

Ich oute mich: Am kommenden Sonntag bekommt Peter Feldmann (SPD) meine Stimme bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister. Ein Leben lang habe ich grün gewählt und auch grün gemeint. Aus Mitleid für die Grünen Boris Rhein wählen kommt aber nicht in Frage.

Ein Ziehkind der hessischen CDU a la Koch, Wagner, Bouffier bekommt von mir grundsätzlich keine Stimme. Schwarz-Grün mit Petra Roth: ein Experiment, mit Bauchweh ertragen. Schwarz-Grün mit Boris Rhein: nicht mit mir.

Die Grünen haben das Prinzip Machterwerb und Machterhalt in Frankfurt zu Lasten prinzipienfester Sachpolitik überreizt. Spätestestens das Wegtauchen beim Flughafenausbau war unakzeptabel. Ein SPD-Oberbürgermeister ohne Mehrheit im Stadtparlament muss den Konsens mit allen anderen Parteien suchen. Gut möglich, dass er kaum anders agieren kann als ein schwarz-grüner OB es tun würde. Aber die Beinfreiheit der Grünen wird größer: mit einem von den Grünen mitgetragenen OB Boris Rhein werden sie auf Dauer in die Koalitionsraison einbetoniert, unglaubwürdig und beinahe unwählbar. Davor sollte man sie schützen. Nicht Boris Rhein, sondern Peter Feldmann ist die Chance für die Grünen.

Die WEIDA-Saga (1)

9. Februar 2012

Bericht eines Freundes aus dem WEIDA vom 8. Februar 2012:

„Gestern haben wir gefroren, es lief wieder dieser Honnywell-Heizlüfter. Als die Wirtin den dann Richtung Füße des Nachbartischs drehte, haben wir heimlich den Radiator, der im Fenster steht, im Betrieb genommen. Darauf fiel die Sicherung dann ein paar Mal aus, mords Gaudi!

Ob ich meine ganzen Kinder mitgebracht hätte, fragte sie noch, weil die Kollegen so jung waren. Inzwischen sind sie aber ganz schön gealtert.“

Vino tinto, aber rojo por favor

11. September 2011

Die Rubrik „Kulinarisches“ kommt hier seit langem eindeutig zu kurz. Das liegt vielleicht auch ein bisschen daran, dass es in dieser Stadt relativ viele gute bis sehr gute Etablissements gibt, über die ich aber mit der Begründung „teuer kann jeder“ nicht berichten möchte. Zu deutsch: wenn am molekularküchenfreien Standort von Mario Lohninger in der Schweizer Straße ein nicht allzu großes Wiener Schnitzel mit nicht allzu viel Kartoffelsalat 26 Euro kostet und zuzüglich möglicher Vor- und Nachspeisen, Getränke und des Trinkgelds auch vorzüglich mundet, dann ist das keine Nachricht, sondern eine Selbstverständlichkeit. Dann doch lieber trotz eines Oberkellners, der dem Gästemustern nach meist auf Porschefahrer wartet, für 13,90 zu einem exorbitanten Schweineschnitzel mit Bratkartoffeln in die etwas zu schicke neue Gerbermühle. Das Gerbermühl-Schwein schlug das Lohninger-Kalb bei unserem letzten Besuch um etliche Rüssellängen und macht die Gerbermühle praktisch zur Schnitzelpilgerstätte. Auch das sonstige Essen ist mehr als passabel, es ist richtig gut. Wenn man draußen unter den Bäumen sitzt, ist der overkill in Richtung business/lounge/Szene, der sich in den Innenräumen austobt, erträglich.

Ansonsten ist mit den Worten Größenwahn, Kleinmarkthalle, Gewürzhaus Alsbach und allenfalls noch Frischeparadies (Edelfische), Venos, Scheck-In und Terra Nova fast schon wieder alles gesagt zu Einkaufen und Essen gehen in Frankfurt. OK, OK, das ist jetzt etwas verkürzt, aber wir wollen die Story ja „schnell machen“, wie abgezockte Journalisten zu sagen pflegen ….

Und dermaßen in Fahrt gekommen halten wir mit quietschenden Bremsen endlich auch vor „Poalva. Getränke und Lebensmittel Im- und Export Gmbh“ in der Ahornstr. 73 in Griesheim (im Hof). Dort in einem unpretentiösen Lagerkeller hängen Serano-Schinken verschiedener Reifestadien und gibt es Regale mit Käsen, Sherry-Essig, frischen Chorizos für den Grill, Anchovis, Öliven und Öl und allerlei anderen spanischen Leckereien. Vor allem aber reihenweise Paletten mit spanischen Weinen in 12er-Kartons aus allen möglichen Anbaugebieten: Rioja, Navarra, Galizien, Katalonien und und und. Rot, rosada und weiß. Man spricht klischeegerecht lispeliges Deutsch und sucht freundlich und geduldig in der Preisliste des Hauses nach den Preisen für eine Einzelflasche, meist zwischen 2,50 und 4,50 Euro netto. Herr Algans und Herr Varella verkaufen gerne aber auch ganze Kästen und komplette Schiffsladungen. Im- und Export eben. Einzelne Weine sind natürlich auch teurer, aber eine erstaunliche Anzahl bewegt sich in der genannten Preiskategorie. Wir haben eine solide Auswahl zu Hause verkostet: keine Ausfälle, alles rundum feine Getränke, frisch und fruchtig, für jede Präferenz etwas dabei.

Poalva GmbH
Ahornstr.73
65933 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten über Tel. 069-39047453 erfragen
http://www.poalva.de/

Anstandshalber dann aber auch noch die URLs zu den anderen angetexteten Adressen in der Reihenfolge ihres Auftretens

Die Politik hat vollkommen den Überblick verloren

30. August 2011

Durch eine Korrespondenz über Weinfragen – unter besonderer Berücksichtigung der Frostschäden im Mai 2011 – wurde ich gestern auf ithaka – Journal für Terroirwein, Biodiversität und Klimafarming aufmerksam gemacht. Auf der Randspalte der Homepage fand sich ein Artikel, der meine momentane Befindlichkeit sehr gut zum Ausdruck bringt. Ich zitiere den Eingangsabsatz und empfehle die Lektüre des gesamten Textes auch für Nichtwinzer:

Die Politik hat vollkommen den Überblick über den Zusammenhang der sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen verloren. Sie zieht ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstüberschätzung allein aus der Tatsache, dass die Wirtschaft sich in den letzten 50 Jahren unaufhaltsam in spiralischen Wachstumszyklen immer rasanter weiterentwickelt. Dass die Politik dieser Epoche das Ruder völlig aus der Hand verloren hat und sich keinerlei Gestaltungsspielraum mehr für die soziokulturelle und ökologische Lenkung der Gesellschaft zugesteht, ist nicht nur ein Armutszeugnis für die Politik, sondern für die Gesellschaft insgesamt.

Dem habe ich (heute) nichts hinzuzufügen.

Schoyfler: „Ackermann hat mir’n Haus geschenkt“

19. August 2011

Was für’n Hammer!

Hat doch der Schoyfler alias Andreas The August (alias Narciso Andrés alias Andreas von Gunten alias wer weiß nicht wer) einen Song geschrieben, der das Potential zum Partyhit beim gemütlichen Teil des Betriebsfestes der Deutschen Bank hat.

Aber noch hat ihn die Belegschaft nicht zu Ohr bekommen, kann ihn ergo nicht mitgrölen. Die Chancen stehen eher schlecht, dass es noch so kommt. Aber ich will alles dafür tun, dass google das  youtube-Video vielleicht einmal als Top-Suchergebnis für „Ackermann“ bringt und sorge auf diesem Wege für Verbreitung.

(Schlagwörter: Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann – Ackermann. Puh, das sollte reichen).

Hier folgt jetzt für die deutschen Bänker zum Üben erst mal der auf dem Amateurfilm eher schlecht zu verstehende Text und dann der versprochene Link zu einer Trio-Fassung und auch noch zu einer Band-Fassung des Stücks auf Youtube.

Strophe:
Wen treff ich neulich bei meinem Therapeut`?
Aus dem Fernsehn kenn ich den Mann.
Ich frag ihn gleich, „Hallo, ja wie gehts uns heut?“,
obwohl, das geht mich ja gar nichts an.
„Ziemlich schlecht“, er hat so ne blöde Depression,
er weiß nicht was er noch mit seinem Geld machen soll.
Ich gleich: „hoppla“, bezüglich seines Monatslohns,
da hätt ich ’ne Prima Idee, sag ich verständnisvoll.

An´n gutes Werk sollt‘ er doch mal denken,
er wirft nervös n’paar Erdnüsse ein.
Ich poker hoch, er könnt mir’n Häuschen schenken,
und ´n Scheck an Greenpeace sollt auch noch drin sein.
Hab ihn prompt an seinem sozialen Tag erwischt,
er hat ja in seiner Brust kein Herz aus Beton.
Hat er erst mal die Spendierhosen angezogen
lässt er sich nicht lumpen mit der Maggiboullion.

Refrain:
Ackermann hat mir’n Haus geschenkt
obwohl er mich eigentlich gar nicht kennt.
Nix Kleines, nein, ´s kost´’ne Million,
das bezahlt er mit einem Monatslohn.

Chor:*)
Was erzählt er wieder für einen Quatsch?
Wenn die Kuh scheisst, macht es platsch!
Er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Armer Raimund, wie bist Du krank.

Strophe
Er kriegt dreizehn Millionen im Jahr,
das durch zwölf ist, was in die Tüte kommt an jedem Monatsend‘.
Eine Milliondreiundachtzigtausenddreihundertdreiundreißig Euro
und noch dreiunddreißig Cent.

Refrain/Chor*):

*) Der „Chor“ erklingt nur auf der Trio-Fassung. Der Ich-Erzähler ist in diesem Fall ein gewisser Raimund. Raimund ist eine Hauptfigur aus einer Oper, die Herr Schoyfler derzeit komponiert, der „Ackermann“-Song also eine Nummer aus dieser Oper. So- ist damit zu rechnen, dass irgendwann auch eine dritte und orchestrierte Fassung des Stücks vorliegt.

So. Hast Du geguckt (Bild), hast Du gelesen (Text)? Dann guckstu deutscher Bänker weiter und singst mit:

Zum Artikel „Erlöst Gustav Mahler aus linker Vereinnahmung!“ (Zeit online 18.5.2011)

18. Mai 2011

„Der Komponist der ’68er“ – so ziemlich das letzte Attribut, das ich Mahler anhängen würde. Als junger Erwachsener und auf dem Weg zum Musiklehrer habe ich die Zeit erlebt und fand was „klassische Musik“ (Anführungszeichen voll absichtlich) angeht gerade meine linksintellektuellen Zeitgenossen eher bildungsfern und wenig artikulationsfähig. Normalerweise haben die lieber „Doors“ gehört („When the music’s over turn off the light“) und Orchestermusik, zumal mit Gesang verbunden, kaum an sich herangelassen. Wenn dann würde ich es eher so sehen, als dass sie nicht „Mahler“ sondern „Tod in Venedig“ gehört haben und das Phänomen Mahler und die 68er auf den Kontext des Visconti-Films und die Handlung der Mann-Novelle begrenzen. Die meisten dürften wohl beim berüchtigten Adagio unter dem Kopfhörer die Augen geschlossen und naiv-bildlich Gondeln vor sich vorbeiziehen gesehen haben, als dass sie eine Bestätitgung ihres (wie die Autorin vermutet) zerrissenen Weltbildes erfahren haben und sich existentiell erschüttern liessen. Man hat aber nicht bekennend und suchend das Gesamtoeuvre rauf und runter gehört und durchgesprochen. Sicher gab es da eine Faszination, aber die erschien mir schon damals ziemlich irrational und kaum erklärbar. Man hat sich vielleicht auch einfach in Konsumhaltug unreflektiert eine Stimmung, eine Attitüde „hineingegezogen“ wie heute noch Leute mit Che-Guevara-T-Shirts rumlaufen und weder im vollen Umfang für eine Politik a la Kuba noch gegen sie sind. So was heisst „Mode“. Kommt, geht und gut ist. Muss man aber keine Staatsaffäre draus machen.

Ansonsten denke ich, dass Rezeptionsgeschichte – selbst wenn es dann so gewesen wäre wie dieser Artikel es suggeriert – ein Problem sein kann, aber kein grundsätzliches Hindernis für den Zugang zu einem Werk für nachfolgende Generationen. Der Appell „Erlöst Gustav Mahler aus linker Vereinnahmung“ ist eigentlich nur peinlich. Er suggeriert, dass jemand Mahler irgendwann gekidnapt, damit anderen vorenthalten hat und besetzt hält. Nun muss er befreit werden. Wenn noch wenigstens gesagt würde von wem und für wen. Für die schwarz-gelbe (noch) Mehrheitsgesellschaft? Für die Generation Facebook? Für eine verstörte Generation Praktikum, die zugegeben anders als viele 68er keine etablierten Beschäftigungsverhältniss mehr finden werden? Wenn dabei der befreite Mahler hilft, gebe ich dem Artikel doch noch meine Absolution.

Das ganze Grundkonstrukt des Artikels ist ansonsten doch ziemlicher Humbug. Im Falle Kunst und Musik allgemein und in diesem Falle im Besonderen (s.o.). Niemand hindert niemand an einen einem neuen eigenen, selbst gewählten Zugang zu Mahler. Das heldenhafte Verlangen nach dem Wegräumen gar nicht vorhandener Hindernisse und Trümmer der 68er-Generation hat eventuell mit Mahler gar nicht so viel zu tun. Der dient nur als Tapete, auf der man das derzeit so angesagte 68er bashing aufwalzen kann. Für einen Hauptartikel zu „100 Jahre Mahler“ ist das arg dünn. Und man hätte über vieles nachdenken, gerne auch streiten können aus Anlass dieses Jubiläums. Vor allem über Mahler, aber nicht über das Thema „Komponist der ’68er“. Chance vertan, Thema verfehlt. Schade.

Hier der Link zum Artikel: http://www.zeit.de/kultur/musik/2011-05/100-jahre-gustav-mahler

„Virtual choir“ und „Analog-Käse“ – zwei gleiche Geschwister

14. April 2011

Wer braucht den Eiffelturm in Originalgröße, nachgebaut aus Streichhölzern? Wer braucht Frikadellen aus pflanzlichem Fleischimitat? Wer braucht Käse, dessen Zutaten aus keiner tierischen Milchdrüse geflossen sind? Der heisst nun zwar leider neudeutsch „Analog-Käse“ und sollte besser in „virtueller Käse“ umbenannt werden, aber auch so hinkt das Gleichnis mit dem „virtual choir“ nicht sonderlich. Denn wer braucht „virtuelle Chöre“? Wohl nur die, die auch gerne Analog-Käse essen, Eiffeltürme aus Streichhölzern lieben und Sojabulletten.

Aber schauen wir mal rein in so einen virtuellen Gesangsverein, z.B. in  Eric Whitacre’s Virtual Choir – ‚Lux Aurumque‘ auf Youtube. Erstmal gibt es hoch-ästhetische Klänge und Bilder. Aber schon beim anderthalbten Blick auf den Streifen winkt der gleich doppelte Beschiss: selbst die virtuelle Simulation eines singenden Chors ist virtuell simuliert. Also nicht nur Analaog-Käse, sondern simulierter Analog-Käse oder sagen wir die Nachbildung von echten Streichhölzern für den Eiffelturm aus zum Beispiel gebrauchten Zahnstochern, die täuschend echt Streichhölzern gleichen und alles zusammen ist der Eiffeltum (oder sieht so aus).

Wenn ja beim „virtual choir“ wenigstens in einem Raum tatsächlich alle Bildschirme und Lautsprecher gestanden hätten und die Sänger in Echtzeit miteinander gesungen hätten. Selbst das ist noch digital zusammengebastelt, nachbearbeitet und arrangiert. Kann man denn sicher sein, dass wenigstens die Einspielungen der einzelnen Sängerinnen und Sänger tatsächlich stattgefunden haben? Was ist denn da das Konzept, die Sichtweise, die Perspektive? Bestenfalls ist das blanker Surrealismus, nur dass es in unserer virtuos virtuellen Mediengesellschaft gar nicht mehr als solcher wahrgenommen wird. Als Kunstform ist der Surrealismus schon seit Ende der 1960er out und wartet nun nicht gerade wirklich auf seine Wiedererweckung durch authistische PC-Freaks.

Für mich erfüllt so ein virtueller Chor einfach nur den Tatbestand der Vortäuschung der Simulation einer künstlerischen und sozialen Interaktion bei gleichzeitiger antiseptisch vollzogener Vermeidung ihres tatsächlichen Stattfindens. Denn das würde ja unter Umständen Umstände bereiten: man könnte ja von seinem Schreibtischstuhl aufstehen müssen oder der Singnachbar könnte vergessen haben, ein Deo aufzurollen. Dazu passt nun auch der Klang: kalte Perfektion, steril. Selbst der starke Hall, der die Musik auf eine diffuse pseudo-andächtige ersatzreligiöse Gefühlsebene beamt, ist hörbar synthetisch und unwirklich. Kathedralen klingen wärmer und natürlicher.

Ich liebe es lieber warm und natürlich: Menschen zum Anfassen, zum in die Augen schauen, mit denen ich echt singe. Fazit: Schade um die Stunden, Tage, Wochen, Monate, die jemand bei herabgelassenen Rollo die Maus über den Schreibtisch geschubst hat. Und um die Kreativität und die technischen Fertigkeiten, die ja nun unzweifelbar doch auch in so einem „virtual choir“ stecken. Aber nun doch eben in einer Kopie von der simulierten Kopie einer Sache, die nun einmal doch dem Wesen nach eine andere ist.

„Virtual choir“: Der letzte – wenn auch hinreißend schön vorgetragene –  Aufschrei final vor dem Flatscreen vereinsamender Menschen?

Fleisch: Ums Dioxin gebettelt

Lecker Hausschlachtung21. Januar 2011

Im Zusammenhang mit dem neuesten (dem wievielsten?) Dioxin-Eier-Schweinefleisch-Puten-Skandal plädiere ich für den Fleischführerschein für Endverbraucher, i.e. Nachweis der Teilnahme an einer Hausschlachtung (Bild links). Damit würde man mehrere Fliegen mit einer Klappe erwischen: rückläufiger Fleischkonsum und vielleicht noch besser: die Leute lernen beurteilen was schmeckt und was nicht, egal was auf der Verpackung drauf steht und was es kostet.

Denn alle Lebensmittelskandale kennen nur einen Schuldigen, der auch alles selbst komplett abstellen könnte: den (un)mündigen Verbraucher. Wenn er will, kann er wissen unter welchen Bedingungen Tiere gefüttert, geschlachtet und vermarktet werden – wahrscheinlich weiß er es sogar – und das Zeug, über das jetzt alle herziehen, nicht kaufen und (fr)essen. So einfach ist das. Und so verlogen ist die Diskussion. Die „Skandale“ sind doch eher statistisch unvermeidbare Betriebsunfälle in einem Gesamtszenario, an dessen grundsätzlicher Änderung niemand wirklich gelegen ist, am wenigsten den Verbrauchern. Sonst würden die doch bei x-tausend Verkehrstoten auch schon lange kein Auto mehr fahren. Nur dumm, wenn’s einen selbst erwischt, da regt man sich halt mal auf.

Ich bin kein Öko-Freak, Tierschützer oder Romantiker und nur weil irgendwo „Bio“ oder „gewaltfreie Schlachtung nach Weidehaltung“ draufsteht, schmeckt kein Lebensmittel. Im Gegenteil: es gibt wunderbar wohl schmeckende und frische Lebensmittel auch beim Discounter und auch aus Tierquälhaltung. Wenn’s schmeckt kommt auch das bei mir in den Topf. Aber eben nur dann. Aber ich wähle frei und bewusst aus qualitativ und preislich unterschiedlichen Angeboten.

Dem durschschnittlichen Konsumenten fehlt aber doch schon beinahe jegliche Sachkompetenz oder „unabhängige“ Geschmackserfahrung. Seine Rezeptoren sind verpappt von zugelassenen Zusatzmitteln und Ersatzstoffen, seine Augen verschlossen mit dem Flugblatt mit den Sonderangeboten der letzten Woche und kreischend roten Aufklebern „Heute noch billiger“. Und ich wiederhole mich in dieser Kolumne: er wird nicht beschissen, er will es einfach nicht wissen. Und er bekommt bei Fleisch exakt und zu 100% was er auch sonst will: nach statistisch Maßstäben extrem sichere, nährwertmäßig hochwertige und exorbitant preisgünstige Lebensmittel.  Der Rest ist allgemeines Lebensrisiko.

Ein „Skandal“ liegt für mich allenfalls darin, dass Leute fähig sind, ihre Kenntnis über die seelenlose industrielle und alle ethischen Maßstäbe ausblendenden Tierproduktion – über die jeder jederzeit alles wissen kann – zu verdrängen und auf bessere Lebensmittel zu verzichten, um eines erbärmlichen Geldvorteils willen. Dieser Gedanke ekelt mich eigentlich mehr als Gammelfleisch.