Fleisch: Ums Dioxin gebettelt

Lecker Hausschlachtung21. Januar 2011

Im Zusammenhang mit dem neuesten (dem wievielsten?) Dioxin-Eier-Schweinefleisch-Puten-Skandal plädiere ich für den Fleischführerschein für Endverbraucher, i.e. Nachweis der Teilnahme an einer Hausschlachtung (Bild links). Damit würde man mehrere Fliegen mit einer Klappe erwischen: rückläufiger Fleischkonsum und vielleicht noch besser: die Leute lernen beurteilen was schmeckt und was nicht, egal was auf der Verpackung drauf steht und was es kostet.

Denn alle Lebensmittelskandale kennen nur einen Schuldigen, der auch alles selbst komplett abstellen könnte: den (un)mündigen Verbraucher. Wenn er will, kann er wissen unter welchen Bedingungen Tiere gefüttert, geschlachtet und vermarktet werden – wahrscheinlich weiß er es sogar – und das Zeug, über das jetzt alle herziehen, nicht kaufen und (fr)essen. So einfach ist das. Und so verlogen ist die Diskussion. Die „Skandale“ sind doch eher statistisch unvermeidbare Betriebsunfälle in einem Gesamtszenario, an dessen grundsätzlicher Änderung niemand wirklich gelegen ist, am wenigsten den Verbrauchern. Sonst würden die doch bei x-tausend Verkehrstoten auch schon lange kein Auto mehr fahren. Nur dumm, wenn’s einen selbst erwischt, da regt man sich halt mal auf.

Ich bin kein Öko-Freak, Tierschützer oder Romantiker und nur weil irgendwo „Bio“ oder „gewaltfreie Schlachtung nach Weidehaltung“ draufsteht, schmeckt kein Lebensmittel. Im Gegenteil: es gibt wunderbar wohl schmeckende und frische Lebensmittel auch beim Discounter und auch aus Tierquälhaltung. Wenn’s schmeckt kommt auch das bei mir in den Topf. Aber eben nur dann. Aber ich wähle frei und bewusst aus qualitativ und preislich unterschiedlichen Angeboten.

Dem durschschnittlichen Konsumenten fehlt aber doch schon beinahe jegliche Sachkompetenz oder „unabhängige“ Geschmackserfahrung. Seine Rezeptoren sind verpappt von zugelassenen Zusatzmitteln und Ersatzstoffen, seine Augen verschlossen mit dem Flugblatt mit den Sonderangeboten der letzten Woche und kreischend roten Aufklebern „Heute noch billiger“. Und ich wiederhole mich in dieser Kolumne: er wird nicht beschissen, er will es einfach nicht wissen. Und er bekommt bei Fleisch exakt und zu 100% was er auch sonst will: nach statistisch Maßstäben extrem sichere, nährwertmäßig hochwertige und exorbitant preisgünstige Lebensmittel.  Der Rest ist allgemeines Lebensrisiko.

Ein „Skandal“ liegt für mich allenfalls darin, dass Leute fähig sind, ihre Kenntnis über die seelenlose industrielle und alle ethischen Maßstäbe ausblendenden Tierproduktion – über die jeder jederzeit alles wissen kann – zu verdrängen und auf bessere Lebensmittel zu verzichten, um eines erbärmlichen Geldvorteils willen. Dieser Gedanke ekelt mich eigentlich mehr als Gammelfleisch.