1. September 2004
Unter großer Anteilnahme unterschiedlichster Art und Tiefe sowie unterschiedlichster Kreise wurde vergangene Woche die polymedial, aber vor allem mit großen blauen Flächen beworbene Yves Klein-Ausstellung in der Schirn eröffnet.
Wenn wirklich jemand Grund hat, mit netten Nachbarskeletten im Grab eine Freudenfeier zu veranstalten, dann nun er, unser jetzt neufrankfurter Yves. Denn was hat er da schließlich angerichtet in seinem kurzen Leben, welches bereits Anfang der 60er endete, mit seinen blauen Bildern, von denen dann übrigens die wenigsten in der Ausstellung blau sind?
September 2004, Fronkfür sür Mäh: bussi-bussi, das Museumsorchester spielt in voller Montur und mit echten Instrumenten, flankiert von einem mittelständischen-betriebsstarken gemischten Chor und einem mit Taktstock ausgerüsteten und international renommierten Operndirektor „8 Minuten Stille“ als 2. Satz einer „Sinfonie monoton“, was für sich eine gelungene Komposition ist, aber erst a) durch den Kontrast zu einem als 1. Satz dargebotenen, 12 Minuten langen gespielten und gesungenen D-Dur-Akkord und eben b) durch den Rahmen und den Raum und die Anwesenheit einer eine Stille zu hören bereiten und dazu auch gerne die Mobilfone abschaltenden Menschenansammlung erst voll wirkt. Dass dazu der frz. Botschafter erschienen ist – bussi bussi – der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Herr Breuer-Peanut – bussi bussi – die deutschstämmige Klein-Witwe samt Erben – prösterchen, stöckel-stöckel – Frau Roth, leider, war nicht abkömmlich, schade, welche Rolle hätte sie von unserm Yves in diesem Panoptikum zugewiesen bekommen? – Kulturdezernenten, TV-bekannte Gesundheitsexperten, allesamt Leute, die sonst nicht 8 Minuten schweigen können und wollen. Dass all dies so und nicht anders geschah ist das eigentliche, ein echtes Opus Klein, post hum eben.
Und wie er beispielsweise die Menschen in schwarze Klamotten gezwungen hat, damit sie die monochrome Farbigkeit seiner Bilder nicht stören, das macht ihm so schnell k(l)einer nach. Wahrscheinlich hat er auch die einzige Person unter etwa 400 bestellt, die sich in einem modisch leuchtenden orangen Pullover unter die schwarze Menge und vor die blauen Bilder gemogelt hat.
Leider kann man nun gerade diesen wesentlichen Teil der Ausstellung, das Drumrum, die Eröffnung, nicht mit auf die zweite Station nach Bilbao nehmen und vielleicht ist die Ausstellung in Frankfurt mit dieser Eröffnung im Klein’schen Sinne im Grunde bereits wieder beendet, die Exponate hat er nur in die Ausstellungsräume hängen lassen als dinglichen Teil eines Kunstwerks „Eröffnung einer Klein-Ausstellung 2004“. Perfekt.
Ein wenig anders ausgedrückt: ein Kunstwerk ist etwas immaterielles, das im Spannungsfeld zwischen einem sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand, der Person seines Erzeugers und einem Publikum entsteht. Die faszinierendsten Werke entstehen nach dieser Sicht, wenn diese drei Komponenten perfekt zusammen wirken oder aber eben, wenn im Gegenteil einer dieser drei Teile willentlich, vor allem aber provokant ausgeblendet wird. Herr Klein beherrschst das gleich zweifach und dazu noch in mehrfach sich wiederspiegelnder Hinsicht: er hat zu Lebzeiten schon Ausstellungen ohne Exponate gemacht und in Frankfurt schafft er es, anwesend zu sein gerade durch seine Abwesenheit.
Die Begleitausstellung zu diesem Gesamtkunstwerk namens Yves Klein in der Frankfurter Schirn ist von erheblichem kunstgeschichtlichem Interesse. Sie liefert bedeutende Zeitdokumente in Form von Kunstobjekten zum Verständnis und zur Veranschaulichung einer Reihe von Entwicklungen und Sichtweisen der Kunst der Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa.