Rezepte und Berichte aus der házi karantén
Tag 14
(Mittwoch, 16. September 2020)
Für die letzten Stunden der Quarantänte hätte man eigentlich bereit gestern wenigstens um das Haus herum das Gras festlich auf die gleiche Länge schneiden sollen, das trotz des wochenlangen Regenmangels auch bei extremer Hitze irgendwie ein paar Zentimeter zugelegt hat und etwas unordentlich und unleichmäßig schräg hängt. Man möchte ihm zurufen: „Zieh doch wenigstens heute mal was Gescheites an!“. Aber übertrieben wird nicht. Auch heute ist schließlich nur ein normaler Mittwoch. Ende der Quarantäne hin und her.
Für die gebührende feierliche Stimmung sorgt dann aber überraschend und wie nicht bestellt das Konzert einer Gruppe von Hirschen, noch vor Anbruch des Tages, das ein Bettflüchtiger gegen 5 Uhr in der Früh mitgeschnitten und editiert hat. Wie unsere 378 KB-Hirsche klingen, offenbart der folgendene mp3-Soundtrack (jetzt Kopfhörer aufsetzen), das Rauschen der Aufnahme ist zu entschuldigen.
Überhaupt war um die Zeit schon viel los, der Toningenieur schlich wegen der erhofften besseren Aufnahme noch im Dunkeln ans obere Ende des Grundstücks als etwa 3 Meter vor ihm im Mais etwas raschelte und so laut schnaubte, dass es nur etwas Großes gewesen sein kann. Mindestens ein Elefant. Schnell langsam rückwärts und wieder nach unten.
Zu dieser frühen Stunde waren auch noch die Bilder der Wildbeoachtungskamera nicht ausgewertet. Wie war die Freude groß als sich später herausstellte, dass nicht nur die Hirsche eigens gekommen waren, das bevorstehendes Ende unserer Quarantäne zu besingen. Auch Fuchs und Dachs hatten zu dieser Zeit schon ihre Aufwartung gemacht, als sie bescheiden und in der Stille der Dunkelheit keinen Meter vor der Kamera kleine Geschenke abgelegten. Zwei erst der Fuchs, dann der Dachs seines knapp daneben. Ja, ist denn schon Weihnachten?
Hier wird gleich beschert.
Da! Eins, zwei …
… und drei. Danke, Ihr treuen Gesellen der Finsternis!
Erhebend. So fangen also die letzten Stunden der Quarantäne an!
Aber nicht nur die Tiere, auch das Wetter hat uns in den vergangenen zwei Wochen erfreut. In der Erinnerung erscheint es wie jeden Tag 30 Grad und darüber und nie ein Wolke. Es war heiß und durchgehend himmelblau, Sonnenschein nur durch hereinbrechende Dunkelheit und die folgende Nacht unterbrochen. Unsere Rotweintrauben werden jetzt schon von 100 Oechsle gezogen und es kommen vielleicht sogar noch ein paar dazu. Die heißeste Quarantäne seit Beginn der Aufzeichnungen. Mit einer halben Kiste Selters wären wir jedenfalls nicht zu zweit durch 14 Tage Quarantäne gekommen. Gut, dass die Pumpe wieder geht…………..
Bevor dies hier am Ende ungeplant geplant zum rührseligen Abgesang verkommt, klingelt Gott sei Dank die Leserpost und muss ein Pesto gemacht werden:
„Dieses (hohe) Niveau der Vorratshaltung
müsst ihr mir mal bei Gelegenheit erklären…“
Das bezieht sich wohl auf die Bohnen, die fertig im Kühlschrank stehen, und anderes, das in den beiden Wochen zubereitet worden ist, ohne dass sofort jemand gierig darauf gestürzt hat.
Ja, liebe Kth. aus Klkh., wir hamstern schon ein wenig. Aber wir wollen es lieber so gedeutet wissen und auch anderen zeigen, dass wir beim Essen gerne viele leckere Sachen gleichzeitig auf dem Tisch haben, um dann zu der eigentlichen Speise des Tages noch frei dort oder hier hineinzupicken. Das sehen wir auch nachher gleich beim heutigen Festessen. Oliven, Nüsse, Kapern oder so etwas wie in dieser Woche die mexikanische Sauce, die griechischen Bohnen oder hier gleich der Pesto stehen bei uns irgendwie immer auf dem Tisch, egal was es sonst noch so gibt, oder eine Frittata, die in Portionen über mehrere Tage in unterschiedlichen Kombinationen unter die Leute kommt oder ein paar übrig gebliebene Nudeln oder Kartoffeln, verschiedene Gewürzsalzmischungen sowieso. Besser, es ist einfach eine Auswahl von allem fertig da, als das das alles gleichzeitig kurz vor einem Essen frisch zubereitet werden muss. Wir kombinieren auch gerne frisch gekochtes mit guten Halbfertigprodukten, die eigentlich immer auf Vorrat sind (Frischkäse, Kartoffeltortilla, Mayo…..)
Deswegen wird jetzt soviel von dem Pesto gemacht, dass auch ja für morgen oder übermorgen etwas bleibt.
Pesto ist eine kalte Sauce , die meist aus Olivenöl, Knoblauch, Salz, Pinienkerne, Basilikum und Parmesan gemacht wird. Man tut sich im Alltag leichter, wenn man es allgemeiner formuliert: Öl, Knoblauch, Salz, etwas Nussartiges, frische Kräuter, Käse.
Dann kann man außer bei Knoblauch und Salz anstelle der Originalzutaten je nach Vorliebe und Verfügbarkeit auch andere nehmen und frei kombinieren: Pflanzenöl, Walnüsse, Macadamia, Mandeln, Cashew (Pesto wird leicht süßlich), Erdnüsse aber eher nicht, Petersilie, Liebstöckel (genial in Kombinationen mit Walnüssen), Ruccola, Gemüseblätter (es gibt Rezepte mit Rote Bete, Kohlrabi …) und was die eigene Phantasie sonst noch so erlaubt.
Unser Pesto heute besteht aus Öl, Salz, Knoblauch, Walnüssen, Basilikum, etwas Liebstöckel und Parmesan.
Die reine Lehre der Zubereitung ist in einem der legendären Time Life-Kochbücher aus den mittleren 20. Jahrhundert dokumentiert: man zerreibt den Knoblauch mit grobem Steinsalz und später den Pinienkernen in einem großen Mörser mit dem Holzstösel zu einer ganz feinen cremigen Paste, immer nur portionsweise Öl zugeben, wenn die Paste zu dick wird und nicht mehr geschmeidig ist. Nach und nach den Basilikum zugeben und diesen breiig verreiben bis eine sehr gleichmäßige Paste entsteht, in der man die Zutaten eigentlich nicht mehr erkennt, zuletzt den Parmesan. Das braucht Geduld und wenigstens 20 Minuten, den erwähnten Mörser und ist davon inspiriert, dass die Geschmacksstoffe, insbesondere die ätherischen Öle von Knoblauch, Basilikum und den Kernen auf diese Weise am optimalsten erschlossen werden. Und es gab noch nicht so viele elektrische Küchengeräte.
Dieser Idee nähern wir uns heute an mit Pürierstab und Mixbecher, in dem wir
- zunächst den Knoblauch mit Steinsalz in ausreichend Öl zu einer weißen, feinen, noch recht flüssigen milchigen Creme aufschlagen,
- dazu dann die Nüsse geben,
- dann zuerst die die Basilikumblätter (heute auch ein paar Liebstöckelstängel!) mitpürieren und schließlich
- den Parmesan einarbeiten,
- dabei gelegentlich den Geschmack überprüfen und bei Bedarf einzelne Zutaten nachgeben,
- mit der Zugabe von Öl die Konsistenz steuern.
Mit dem Zeitpunkt der Zugabe und der Dauer der Verarbeitung der einzelnen Zutaten bestimmt jeder selbst die Konsistenz und die „Textur“ des Pesto. Fertig.
Auch die Mengenanteile bestimmt jeder gerne selbst. Pesto ist allerdings nach unser Auffassung eine Gewürzpaste und kein Sugo, in dem Nudeln schwimmen. Es soll auch „funktionieren“, wenn man nur 1 Teelöffel auf einen ganzen Teller Nudeln verteilt oder eine Messerspitze davon wie Kräuterbutter auf gegrilltes Fleisch streicht. Unser Pesto ist daher deutlich salzig und stark knoblauchlastig. Dennoch sieht bitte jeder gerade beim Salz selbst wie er-sie es haben will. Lieber einen Streuer auf dem Tisch als versalzene Gäste.
Am späten Nachmittag ist es soweit, das Festessen steht im Garten, außerdem ein eiskalter Sekt (aus dem Vorrat).
Unmittelbar vorher wurden nur noch das Hühnerfilet frisch angebraten und weitgehend rezeptfrei mit frischen Kräutern, Limonensaft und -scheiben und Salz und Pfeffer abgeschmeckt und zusammen mit einer in der Pfanne leicht gold-gelb gerösteten, fertigen Kartoffeltortilla (aus dem Vorrat) und Tomaten appetitlich angerichtet.
Daneben sind auf dem Tisch zu finden ein Schüsselchen Crostini-Chips (aus dem Vorrat), der Pesto, mehrere Gewürzmischungen, Salz und Pfeffer und zwei Teller mit Rote-Bete-Carpaccio.
Rohe(!) rote Bete (hier: Gigant 4 länglich, Vorrat) so hauchdünn wie immer möglich hobeln und auf einem farblich passenden Teller legen. (Achtung: gekochte oder sauer eingelegte Bete gehen gar nicht!). Darüber großzügig gehackte Walnüsse, groben schwarzen Pfeffer und frisch gemahlenen Koriander streuen und mit einem deftigen Olivenöl übergießen. Vielleicht noch etwas Salz, aber auch nur vielleicht. Damit sind wir fertig, alles Weitere „kocht“ sich von selbst beim langsamen, genüsslichen kauen. Aus den Beten kommen erdige mineralische Noten, die Salz so gut wie entbehrlich machen, dazu der Eigengeschmack und der Biss der Nüsse, die Aromen von Koriander und Pfeffer, eine leichte Schärfe auch vom Olivenöl. Das erlebt aber nur wer gut kaut und nicht schlingt. Und wer es erlebt läuft Gefahr zum Rohköstler zu werden.
Guten Appetit!
Epilog
(17. September 2020)
Das Schild ist ab. Wir dürfen wieder raus, stehen aber ratlos in der Kleiderkammer. 14 Tage Schlabberlook für Haus und Garten. Wie jetzt, was anziehen? Und wo ist eigentlich der Autoschlüssel?
Aber das wird sich wieder einrenken. Der erste Tag in Freiheit war auch gleich etwas hektisch – 6 Bau- und Supermärkte, 1 Weinhandel, 1 ausgiebiger Restaurantbesuch und 2 Fachgeschäfte in 2 Städten innerhalb von 7 Stunden und 80 gefahrenen Kilometern, Szekszárd, Szálka, Bonyhád.
Zu Hause ist dann alles fast wie vorher, also wie in der Quarantäne. Der Rasen ist immer noch nicht geschnitten, die Küchentür klemmt. Der Wein muss in den Kühlschrank. Wer kocht? Und was, und wann wird gegessen? Im Vorbeet leuchtet versonnen kopfüber ein nie gesehener Kleiner Feuerfalter, trotz seiner Farbe wohl ein Vertreter oder Verwandter der Bläulinge.
Quarantäne? War da was? Wir können auch so ganz gut mal 14 Tage die Beine still halten.
An dieser Stelle verabschieden wir uns aus diesem gemeinsam verzapfhahnten Tagebuch, schmieren allen Lesern aber schnell noch ein Schokoladeneis um die Münder.
Die Grundidee stammt aus dem Internet, dort werden Eiszubereitungen auf der Basis von gesüßter, stark gezuckerter Kondensmilch als Königsweg gepriesen für Leute, die keine Eismaschine haben und gleichzeitig auch nicht gerne in der Küche stehen. Da ist was dran, die Eise werden tatsächlich erstaunlich homogen und sind schnell angerührt. Allerdings ist es schwer, die „Milchmädchen“-Basis zu übertönen, es wird immer etwas nach ordinären Karamellen schmecken. Wer klebrige Milchbonbons mag und starke Sahnetöne, ist gut bedient, ein bisschen Vanille rundet das sicher auch noch elegant ab und fertig. Zitroneneisesser, Erdbeerfreunde und andere Schöngeister werden es aber schwerer haben, gegen das dreiste Milchmädchen anzukommen. Hier folgt ein improvisierter Versuch, die vorteilhaften Eigenschaften dieser Konserve zu nutzen und doch einen markanten anderen Geschmack hineinzubringen, mit viel schwarzer Schoko und Kakao:
- 1 Tafel Schokolade 85%
- 3 gehäufte Esslöffel Kakaopulver
- 1 Dose (400 ml) konzentrierte gesüßte Kondensmilch („Milchmädchen“ o,ä.)
- 500 ml Sahne (32%+), im Kühlschrank gut vorgekühlt
- 30 gr Butter
- 1 Päckchen Vanillezucker
- 1 Prise Salz
- 1 Prise Pfeffer
Butter und Schokolade bei niedriger Hitze in einer Kasserolle schmelzen, vom Herd nehmen. Gesüßte Kondensmilch, Vanillezucker, Salz, Pfeffer und Kakao gleichmäßig nach und nach klumpenfrei unterrühren. Um die Temperatur herunterzubringen und doch die Masse elastisch zu halten, 100 ml flüssige Sahne unterrühren. Dann schon einmal die restliche Sahne fast steif schlagen. Die Schokomasse weiter soweit abkühlen lassen, dass sie sich gerade noch unter die geschlagene Sahne heben lässt. Den richtigen Moment zu erwischen ist etwas kniffelig, Wenn Butter und Schokolade zu fest sind, geht gar nichts mehr. Sind sie zu warm, fällt die Sahne zusammen. Also bitte mit gespitzten Fingern fühlen und dafür sorgen, dass soviel Luft wie eben möglich aus der geschlagenen Sahne ins Eis kommt. Notfalls nicht so stark rühren und ein par Streifen im Eis hinnehmen.
Und schon steht die Schoko-Milchmächen-Sahne-Melange für wenigstens 5 Stunden – bei uns seit gestern Abend – im Gefrierschrank.
Erst wenn der letzte Löffel abgeleckt ist, sind diese „Rezepte und Geschichten aus der házi karantén“ am Ende. Wem das leid tut, der isst sein Eis einfach etwas langsamer auf.
Zum letzten Mal: „Jó étvágyat!
(Und wer spült jetzt?)
Der E-Mail-Verteiler dieser Quarantäne-Chronik basiert auf dem Leserkreis, dem wir schon unser Weintagebuch 2018 anvertraut hatten. Wir behalten diesen Verteiler. Die „házi karantén“ ist Geschichte, aber es gibt ja immer mal was zu erzählen. Wer dann solche Nachrichten aus dem Alltag nicht mehr in seiner Mailbox haben will, meldet sich. Und ist schnell „weg vom Tisch“ und „abserviert“.