Kantina Karantena (10)

Rezepte und Geschichten aus der házi karantén

Tag 10
(12. September 2020)

Wir nehmen das Ende des Tages vorweg: gegen 20:30 Uhr hat die Hirschbrunft begonnen. Die nächsten Wochen wird uns nach Einbruch der Dunkelheit das Röhren des männlichen Rotwilds begleiten, das von den das Dorf umgebenden sanften Hügeln von der einen auf die andere Seite schallt und von dort wieder zurück, falls auch hier ein Hirsch auf Brautschau ist.

Der Tag erlebt ansonsten die Quarantänekontrolle durch zwei(!) Polizisten gegen 10:40 Uhr, die 4. Platte der „Alten Brücke“, den Rückschnitt von wild anstelle der Edelsorte aus der Wurzelunterlage wuchernden Rosen, den auf einem russischen Raubkanal verfolgten glanzlosen 2:1-Sieg der Frankfurter Eintracht im Grünwalder Stadion gegen (wen wohl?, jawoll!) 1860 München und endet erneut in einer Hausmannkost:

Spiegeleier, Spinat und Salzkartoffeln.

Doch wie schon gestern wird auch an diesem Gericht etwas herumgebastelt.

Zwar werden unsere allerletzten Waldviertler Beilagen-Erdäpfel, Sorte „Julinka“,  noch ganz gewöhnlich in stark gesalzenes Wasser gelegt, aber bereits der Bio-„Creme-Spinat“, der am Ankunftstag noch in gefrorenen Blöcken unser Frischfleich von Bruck an der Leitha nach Mucsi eskortiert hat, wird  mit Pfeffer und Koriander aus der Mühle aufgepäppelt, dazu mit den vagabundierenden Resten der  H-Sahne, die wir gestern und vorgestern nicht mehr in der „roten Suppe“ untergebracht haben. Kurz vor dem Servieren finden noch eine Handvoll in Streifen geschnittener  Basilikumblätter den Weg in den giftgrünen Brei. Merke: Reste vom Vortag und stets vorrätige oder in Töpfen gezogene frische Kräuter sind der Sauerteig der täglichen Küche, damit hält man den Laden geschmacklich am Laufen. Nur nicht aufs Gramm  genau für ein bestimmtes Rezept einkaufen, dann fängt man jeden Tag bei Null an.

Aus diesem Grund wird jetzt auch eine Gewürzbutter zwischengeschaltet. Von der sollen durchaus später ein paar Löffel auf den Spinat oder über die Kartoffeln, aber sie kann auch in den folgenden Tagen noch hier und dort verwendet werden.

Als Aromagewürze vorbereiten

    • Kardamomkörner,
    • Korianderkorianderkörner, beides mit dem flachen Messer leicht gequetscht,
    • Knoblauch,
    • ein kleines Stück Chilischote,
    • Ingwer,
    • ein wenig Vanilleschote und
    • Salz.

(Wenigstens) ein halbes Stück Butter in einer Kaserolle kontrolliert erhitzen bis sie schäumt und langsam braun und „nussig“ wird, das heißt einige Bestandteile beginnen zu rösten und braun zu werden; dabei nicht überdrehen! „Schwarze“ Butter ist heute nicht mehr angesagt.

Die Butter vom Herd nehmen und die Aromazutaten hinzufügen. Die Gewürze für eine Weile in der warmen bis heißen Butter lassen, dabei aufpassen, dass die Gewürze nicht bitter verbrennen,

aber auch dass die Butter nicht zu kalt wird und die Aromen nicht gut annimmt. Nach Belieben bereits jetzt leicht salzen.

Später noch heiß und flüssig durch einen Kaffeefilter oder ein feines Sieb geben. Die Gewürzbutter hält sich im Kühlschrank mehrere Wochen

und kann später zum Anbraten von zum Beispiel Gemüsen verwendet werden, die so gleich einen interessanten Geschmack mitbekommen, oder man gibt sie in ein Kartoffelpüree oder zu Linsen oder …..

Während die Butter den Geschmack der Gewürze annimmt liegen die Erdäpfel bereits in Wasser und warten darauf, dass der Koch die Flamme zündet. Hier bitte ordentlich salzen, das meiste Salz wird ja später mit dem Kochwasser abgeschüttet, es soll aber auch noch etwas an den Salz(!)kartoffeln hängen bleiben.

Der Zeitpunkt ist nicht so ganz wichtig, man kann die Kartoffeln sobald fertig und abgegossen eine Weile im zugedeckeltem Topf warm halten, es zeigt sich aber, dass durchaus auch ein schlichtes Gericht wie Spiegeleier mit Spinat und Salzkartoffeln einer gewissen Logistik bedarf. Wann ist der gefrorene Spinat so weit, dass die Kartoffeln nicht schon wieder kalt sind und umgekehrt, wie lange brauchen eigentlich Spiegeleier?

Bei uns ist heute so, dass erst einmal der noch gefrorene Spinat langsam durchhitzt wird. Sobald er flüssig ist, beginnen parallel die Kartoffeln zu kochen. Der trotz der Bezeichnung „bio“ und „creme“ etwas wässrig-grasige TK-Spinat Spinat bekommt jetzt das bereits erwähnte upgrade mit Salz, Pfeffer, Schlagsahne und Basilikum. Die grellgrüne Farbe des Spinats bleibt ein Geheimnis des Lieferanten und dürfte aus frischen Zutaten am heimischen Herd nicht zu mischen sein, wird aber gerne genommen, da später auf dem Teller eine spektakuläre Farbpalette er erwarten steht.

Sobald die Kartoffeln den Probestich mit der Gabel mit der Rückmeldung „fast fertig“ quittieren, wird eine große Pfanne mit etwas Butter und Sonnenblumenöl für die Eier erhitzt. Heute kommt die Variante „ Spiegeleier mit krustigem Rand“ zum Zug. Das Bratfett wird sehr stark erhitzt, dann kommen schnell hintereinander die Eier dazu, die sofort kräftig brutzelnd braten und spritzen und Luftblasen bilden.

Dadurch werden die Unterseite und die Ränder schnell braun, während die Dotter nach wie vor weich und flüssig sind. Nach Fingerspitzengefühl schaltet man irgendwann die Hitze herunter, ab jetzt dürfen die flüssig gebliebenen Teile des Eiweiß und die Dotter langsam und gleichmäßig bis genau zu dem Punkt mehr stocken als braten, an dem man seine Spiegeleier am liebsten isst. Also nicht alles von unten durchgrillen, das wird sonst eine zähe Angelegenheit.

Alternativ gäbe es die Variante „blonde Spiegeleier“, bei der man das Fett nicht so weit erhitzt und den Herd direkt nach Einlegen der Eier in die Pfanne herunterschaltet. Die Eier stocken von unten nach oben etwas gleichmäßiger als bei der zuvor geschilderten rustikalen Methode. Alles eine Frage der Vorlieben.

Gewürzt wird heute an den Eiern nichts, wir haben ja den Spinat, die Salzkartoffeln und die Gewürzbutter. In anderen Fällen hätte man wenigstens Salz und Pfeffer genommen, vielleicht auch ein paar Würfel Speck oder Zwiebel- und Gemüsewürfel vor den Eiern in die Pfanne gegeben und eingearbeitet, bei einem deftigen Frühstück beispielweise.

Die Eier sind so weit, die Kartoffeln sind Gott sei Dank noch warm und der Spinat hat auch die Hitze gehalten. Es wird angerichtet und sofort serviert:

Die Blüte und die Walnüsse auf dem Bild sind natürlich eigens für diesen Bericht zugefügter Schi-schi, aber das Auge hat schließlich auch Hunger. Wir waren nicht so sicher, ob man Mittagsblumen essen kann und haben sie nach der Aufnahme wieder entfernt, aber Kresse- oder Gänseblümchenblüten wären schon eine wenigstens optische Bereicherung gewesen. Quer über dem ganzen ist noch eine Streuspur einer aus geröstetem Sesam, Speckpulver, geschrotetem Koriander und Salz selbst irgendwann einmal hergestellten Gewürzmischung zu sehen, die sich währen der Zubereitung auf dem Gewürzregälchen fand. Wir hatten ja schon darüber gesprochen, dass es gut ist, immer irgend etwas in dieser Art auf Vorrat und zur Hand zu haben. Das macht hier heute zusammen mit der Gewürzbutter den Unterschied zu nackten Spiegeleiern mit nacktem Spinat und nackten Kartoffeln.

Schmerzhaft bleibt noch zu erwähnen,  dass für genau diese Zutatenzusammenstellung geeignete Teller erst noch erfunden werden müssen. Unsere Suppenteller wären zu klein gewesen, auf unseren flachen Tellern ist es schwer Eier, Kartoffeln und Spinat so anzurichten, dass nicht alles formlos ineinander gleitet. Segmentteller? Och nö, sieht selbst für Kantina Karantena zu sehr nach Kantine aus.