Rezepte und Geschichten aus der házi karantén
Tag 8
(10. September 2020)
PK heute um 11:45 Uhr, wieder nur ein Beamter. Man hat jetzt soviel Vertrauen in unsere gute Quarantäneführung, dass sich einer alleine hertraut.
Nach dem gestrigen melonistischen Rundumschlag gibt es heute nur wieder kalte Platte, Handkäse mit einem großen Salat, tagsüber Reste der letzten Tage. Vor allem die Suppe schmeckt am zweiten Tag noch eine gute Umdrehung besser.
Den schon früh sehr heißen und vollsonnigen Vormittag verbringen wir im Schatten der Reihen unseres kleinen Weingartens und kappen alle Triebe 4-5 Blattansätze hinter den Fruchtansätzen. Einer der Nachbarn kommentiert: „Ihr habt ja genug Zeit“, wir aber hoffen, dass die im Vergleich zu den Vorjahren jetzt noch sehr grünen und gesunden, verbleibenden Blätter alles was sie akkumulieren und mobilisieren mehr in die Trauben einlagern, statt Nährstoffe an die üppigen Ranken zu verschwenden, die im kommenden Frühjahr ohnehin zurückgeschnitten worden wären.
Vor dem Schnitt reichte der Wuchs weit über die oberen, nun blanken Drähte.
Was der „Ihr habt ja genug Zeit“-Nachbar zu der Tatsache gesagt hätte, dass wir (oder besser die liebe Frau) täglich die Trauben und auch einzelnen Beeren durchschauen, um schon 3 Wochen vor der voraussichtlichen Lese auffällige Objekte zu entfernen, steht auf einem anderen Blatt.
Danach haben wir heute ausnahmsweise ein wenig Zeit für wir die Beantwortung der Leserpost.
„Wie? Frische Gurken oder saure Gurken?“
Lieber KW, in unseren Kartoffelsalat hätten sowohl als auch gekonnt. Saure würden wir eher in einen mit Majonaise oder creme fraiche gebundenen Kartoffelsalat geben, der in Richtung Remoulade mit Kartoffel drin geht, frische eher in einen nur mit Essig-Öl-Vinegrette zubereiteten „salatigen“ Kartoffelsalat.
„Avocados hattet ihr auch dabei?“.
Ja.
„Avocado, …. wachsen die bei Euch?“.
Nein.
„Müsst ihr dort sein oder habt ihr euch freiwillig zurückgezogen?“.
Aus der grundsätzlichen Ebene fragen wir das uns manchmal auch und haben nie eine richtige Antwort. Es macht auch nach beinahe 20 Jahren noch Spaß, an den Häusern und auf dem Grundstück zu werkeln und die 100 Weinstöcke entschleunigen unser Leben ungemein, weil sie sich von nichts drängeln lassen. Aber wir wollen auch nicht gerade das ganze Jahr hier sein und reisen oft zwischen Ungarn und Frankfurt hin und her, was irgendwann zu lästig werden wird. Über die politische Situation im Land brauchen wir nicht zu sprechen. Die kommt hier zwar auf dem Dorf nicht zum Tragen, aber komplett ausblenden lässt sie sich eben auch nicht.
Wenn man die Frage nur auf die Quarantäne bezieht ist es etwas einfacher: Ja, wir sind freiwillig hier und wussten vorher um die Quarantäne. Das war die Bedingung für die Einreise, sonst wäre die Grenze für uns dicht gewesen und wir hätten nicht selbst Wein lesen können. Dann lieber Quarantäne.
„Auf die Tomaten des Nachbarn wär‘ ich gespannt. …ich versuche immer noch den französischen TomatenWowgeschmack wiederzufinden.“
Bitte:
Am Nachmittag treibt die Quarantäne erste übermütige Blüten. Der Vorschlag, auf unserem Gelände eine Wanderung zu machen, wird mit der Albernheit gekontert, man könne ja dann auch gleich ein Autorennen veranstalten. Groß genug sind unsere Ländereien in jedem Fall und haben auch schöne Kurven. Wir finden aber leider keine schwarz-weiß karierte Fahne und Boxenluder dürfen derzeit nicht aufs Grundstück. Wir begnügen uns mit der gegenseitigen Versicherung, dass wir mit möglicherweise noch weiter fortschreitendem Alter alles werden wollen, nur bitte nicht langweilig. Das Rennen fällt aber trotzdem aus.
Am Nachmittg nimmt ein Bekannter vom anderen Ende des Dorfes noch Bestellungen auf für Einkäufe am Freitag. Er fährt dann regelmäßig auf den Wochenmarkt im nahen Bonyhád, auf dem es noch eine ganze Reihe privater Verkäufer gibt, die sich mit dem Verkauf von ein paar Tüten getrockneter Bohnen, Honig in Gläsern, etwas frischem Obst und Gemüse nach Jahreszeit ein paar Forint hinzuverdienen. Wir lassen uns 1 Kilogramm Walnußkerne mitbringen, die sich prima statt Pinienkernen in Pesto einarbeiten lassen (darauf kommen wir zurück, es gibt da eine Idee). Aus dem Supermarkt bestellen wir aufgeschnittene Salami und 10 Eier. Der Bekannte fährt auf dem Weg auch bei einem kleinen Betrieb vorbei, auf dem Obst angebaut wird und es eine Lohnbrennerei für Schnaps gibt, aber auch etliche Sorten selbst gekelterten Weins, der landestypisch in selbst mitgebrachten Plastiktanks abgeholt und meist nicht in Flaschen abgefüllt wird. Unsere Bestellung lautet auf 5 Liter rajnai rízling, den wir derzeit bei den Weißen aus dem verfügbaren Sortiment am meisten schätzen. Alternative wären Mädchentraube, Welchriesling und Veltliner, unsere Vorlieben wechseln. Der rajnai rízling ist wörtlich übersetzt ein Rheinriesling, aber ob es sich tatsächlich um die gleiche Sorte handelt, die bei uns am Rhein wächst, müsste mal beispielsweise ein Bacharacher Winzer oder Zecher verifizieren.
Mit diesen Einkäufen können wir dann ab morgen in Speisekammer und Getränkekühlschrank völlig hemmungslos ins Volle greifen, wo doch auch noch nicht einmal die Hamsterkäufe aus Frankfurt und Bruck ernsthaft angeknappst sind.
Um in den Lagern für etwas Entlastung zu sorgen gibt es am Abend den angekündigten Handkäse. Den haben wir als Vorrat natürlich aus Frankfurt mitgebracht und etwas reifen lassen, weil wir ihn ganz gerne an der Zumutbarkeitsgrenze einnehmen, kurz bevor er auch als Heilmittel bei akuter Geruchslosigkeit verwendet werden kann. Wir legen ihn nur in etwas von dem Apfelsaft ein, den wir im vergangenen Jahr aus eigenen Äpfeln haben pressen und in 5-Liter-Schläuche füllen lassen. Dazu eine Kleinigkeit Öl, ein paar klein geschnittene Lauchzwiebeln und reichlich Kümmel. Mehr wäre weniger. Und Essig ziemlich abwegig, das richtet schon der Apfelsaft.
Dazu gibt es einen gemischten Salat, aus Tomaten, Resten von der grünen Bohne und Radicchio. Wenig Essig, genug, Öl, Salz und Pfeffer sind als Dressing eher informell direkt über das Grünzeug gegossen und vermengt.