21. September 2018 – Das Bergfest im Weinjahr

Bevor es gleich an das Abpressen der Rotweinmaische geht, eine Notiz zu einem missglückten und eigentlich lächerlichen Experiment beim Rosé 2018: der war ja schon durchgegoren und hätte jetzt einfach in ein kleineres, sauberes Gefäß gehört, evtl. auch schon einmal etwas geschwefelt. Aber es hat mich gejuckt, es den Profis gleichzutun, die den Wein in dieser extrem frühen Phase gerne schon einmal „blitzblank“ filtern, warum auch immer. Also wegen lumpiger 25 Litern Wein die gesamte beim Rotwein schon beschriebene Filtermaschinerie in Gang gesetzt. Die Filterblätter müssen bei laufenden Pumpe minimal 15 Minuten mit Wasser durchgespült werden, in dieser Zeit laufen schnell 130 Liter Wasser durch, die jetzt wenigstens als Gießwasser in einer Regentonne sitzen. Der Rosé ist nicht so weit gekommen, sondern im Filter quasi steckengeblieben. Wir hatten nur die eine Sorte Filter, mit der wir den Rotwein geklärt haben. Die lässt alles durch was kleiner ist als 2 mµ  (Mikro-my). Ich gestehe, dass ich diese Zahl einfach nur benutze als Beschreibung für einen sehr „feinen“ Filter und gar nicht weiß wie groß oder klein Partikel von 2 mµ sind. Sicher ist nur, dass darunter nicht mehr viel kommt. Bei noch feinerer Filtrierung kommt der Wein sogar völlig steril aus dem Filter, da ist dann nix mehr drin, keine Keime, Hefen, Bakterien.

Sicher und eigentlich erstaunlich ist jetzt nur, dass der Rotwein nach einem Jahr der Selbstklärung vorgestern anstandslos und schnell unter der 2-mµ-Schranke durchgeschwommen ist. Leider gingen aber unsere Rosé-Kamele nicht durch das gleiche Filter-Öhr, sondern haben die Durchgänge binnen Minuten zugestellt. Mir war schon klar, dass das etwas dauern könnte, hatte aber naiv gedacht, dass durch Filter, die anstandslos 2000 Liter Wein in kurzer Zeit säubern, mit ausreichend Geduld wenigstens 25 Liter etwas trüberer Flüssigkeit laufen würden. Aber nach 20 Minuten waren lediglich 3,5 Liter aus dem Gerät getropft und dann kam gar nichts mehr. Der Rosé ruht jetzt wieder im Ausgangszustand und ungefiltert in einem Lagergefäß und darf sich mit sich selbst beschäftigen. Lerneffekt? Die Selbstklärung unseres Rotweins funktioniert sensationell gut. Und: beim nächsten – unausweichlich anstehenden – Versuch mit hellen und frischen Weinen nehmen wir erst einmal einen „groben“ Filter.

Zurück endlich zum Rotwein 2018: Die Maische ist heute in die Weinpresse gewandert und abgepresst worden. Die altmodische, handbetriebene Spindelpresse gehört den Nachbarn, ist ziemlich schwer und zieht jährlich mehrere Male von Haus zu Haus.

Aus dem Auslaufhahn des Maischebottichs kamen ohne Druck etwa 2 Eimer trüben Jungweins von selbst gelaufen. Dann war Schluss, der Hahn war schnell durch Traubenreste verstopft. Da heißt es dann, den Brei per Hand mit einem kleinen Henkelgefäß in die Presse umzuschütten. Wer da keine Handschuhe trägt, hat ein paar Tage blauviolett schimmernde Hände.

Die Brühe läuft schnell durch das eigene Gewicht nach unten aus dem Presskorb in einen darunter stehenden Eimer.

Wenn alle Maische umgeschüttet ist, wird der recht feuchte Brei in der Presse oben mit zwei halbrunden Holzbrettern abgedeckt.

Dann wird mit der Presse langsam Druck ausgeübt, der Saft läuft am Anfang schnell und üppig, später zunehmend spärlicher. Immer wieder muss etwas nachgepresst werden. Wenn Flüssigkeit weggelaufen ist, kann man wieder eine, zwei oder drei Umdrehungen, später nur noch eine oder auch nur halbe Umdrehung zulegen. Wenn man zu fest drückt, spritzt Wein waagerecht aus dem Korb.

Ganz am Ende passiert dann kaum noch etwas, da hören wir irgendwann auf. Man könnte zwar nach Stunden einen halben Liter mehr herausholen, hier in Mucsi hat früher meist der Großvater im Presshaus über Nacht auf die letzten Tropfen gewartet, doch ist dieser späte, so genannte „Presswein“ völlig anders als der anfangs abgelaufene Saft. Er ist ziemlich derb und bitter, da jetzt hautsächlich noch die Traubenkerne Wiederstand bieten und angeknackt werden. Schon deswegen lagern wir den Wein (über Nacht) in großen Gefäßen zwischen. Der von selbst abgelaufene Wein mischt sich so mit dem späten Presswein zu einer einheitlichen Flüssigkeit.

Wenn wir die Fässer, in die der Wein danach kommt, gleich füllen würden, wäre im ersten nur der zuerst abgelaufene edle, vollmundige Saft, im letzten nur der spröde Presswein. Kann man so machen und später entscheiden, ob man in einem halben Jahr den zu Ende gegorenen und geklärten Wein mischt oder auch den Presswein verwirft. Wir machen das aber gleich, weil wir möglichst einheitliche und gleichwertige Tranchen haben wollen. Alles was anders und separat weiter bearbeitet muss, ist bei den Mengen, mit denen wir hantieren, einfach lästige zusätzliche Arbeit. Wir lagern den Wein vor allem aber auch deswegen kurz zwischen, weil sich schon gleich in den ersten Stunden einiges von den Schwebstoffen und dem Dreck absetzt, der zwangsläufig noch in der Flüssigkeit dümpelt, auch Traubenschalen, Wespenreste. Vielleicht auch etwas Lehm, der bei der Ernte an den Schalen klebte, denn Waschen ist ein absolutes „no go“, weil Waschwasser in die Maische käme und den Zuckergehalt herabsetzt. Deswegen erntet man auch nicht bei Regen.

Bis hierher ist also die gesamte Weinherstellung noch etwas sehr Grobes und Trübes. Was wir später im Glas gegen das Licht halten, werden wir nicht vor Weihnachten darin „schillern“ sehen.  Natürlich bezieht der Wein später in den Fässern aus dem so genannten „Trub“, in der sich auch die restlichen Hefen befinden, während der so genannten Feingärung auf dem Hefelager noch Geschmack und Profil. Aber wir wollen ihm nicht gerade die volle Schlammpackung hinterlassen, wenn wir uns in zwei, drei Wochen nach Frankfurt aufmachen und erst im Winter zurückkommen, um ihn dann erstmals richtig vom abgesetzten Trub zu befreien.

Mit dem Abpressen und der so genannten „Einlagerung“ in so genannte „getoastete Eichenfässer (Barriques)“ endet heute endgültig die Arbeit mit Pflanzen und Trauben und beginnt der so genannte „Ausbau“ des Weines. Ernte, Einmaischen und Vergärung gehören zwar schon zur so genannten „Kellerwirtschaft“ – an diesem Punkt übernehmen bei den Profis die Kellermeister von den Weinbauern; es ist durchaus üblich, dass die beiden Betriebsbereiche von verschiedenen Personen weitgehend unabhängig voneinander betrieben werden – aber wenn der Wein in den Fässern sitzt, beginnt endgültig ein anderer Abschnitt im Leben unseres 2018er Jahrgangs. Nach diesem „Bergfest“ braucht er einfach nur Zeit, um in unendlicher Langsamkeit und Ruhe zu Ende zu gären und sich selbst zu klären.

Alles was wir jetzt noch tun können ist, ihn mit Gärverschlüssen vor dem Kontakt mit Sauerstoff zu bewahren und die Fässer bis an den Rand des Überlaufens aufzufüllen, damit nicht allzu viel Luft über dem Flüssigkeitsspiegel verbleibt. Dies nennt man beiläufig, den Wein „reduktiv“ auszubauen und wird auch vom Durchschnittstrinker so erwartet. Der Kontakt mit Sauerstoff würde einen „oxidativen“ Ausbau bewirken. Wer den Unterschied in seiner krassesten Form kennen lernen will, schenke sich nebeneinander einen gut gekühlten jungen, hellen und frischen Riesling ein, daneben ein Glas zimmerwarmen Sherry und nehme jeweils einen Schluck aus beiden Gläsern.  Alles weitere erklärt sich dann von selbst und schont meine Tastatur.

Am Abend haben wir dann den 2018er Jungwein in 2 Eichenfässer mit 53 und 67 Liter Inhalt gegossen sowie in einen Glasballon von etwa 35 Litern.

Ein halber Eimer dickflüssiger Brei blieb übrig und wanderte in das Fass, das der Nachbar später zum Schnapsbrennen geben wird, genau wie der Presskuchen vom Abpressen.

Mit somit 155 Litern Ausbeute haben wir meine Schätzung von vor ein paar Tagen „maximal 180 Liter aus 225 Litern Maische“ deutlich verfehlt. Liegt wohl vor allem daran, dass 225 Liter Maische nicht zwingend das gleiche sind wie 225 kg Trauben, auf die sich die Überschlagsrechnung normalerweise bezieht.

Genau jetzt sind wir eigentlich für den ganz langen Moment bis etwa Weihnachten mit dem 2018er durch und werden ihn vorher nicht mehr anrühren (nur noch anschauen….). Bleibt noch kurz die Hände zu falten und dem großen Weingott für die Ernte zu danken.

Abschließend vom „Primeur“ zu naschen.

Und dann Wasser marsch! Alles sauber machen.

Wir melden uns aber wenigstens noch einmal mit Fotos und einem diesen Herbst in Mucsi abschließenden Statusbericht, kurz bevor wir von hier abreisen.

 

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18. September 2018 – Intermezzo mit röhrendem Hirsch

Heute ist der Tag, an dem sich der 2017er und der 2018er Wein zum ersten Mal direkt „begegnen“.  Das Tagebuch soll eigentlich exemplarisch nur einen einzelnen Jahrgang begleiten, mit dem 2018er kommen wir jetzt aber nicht mehr weiter, wenn wir nicht den 2017er aus den Fässern räumen. Die Arbeiten heute und morgen am 2017er sind auch im Interesse des 2018er nötig, also sollen sie kurz miterzählt werden. Vertiefende Details dann aber erst wenn es beim neuen Jahrgang so weit ist, also in einem Jahr. Auf dem Foto sitzt in der abgedeckten Bütte links die Maische 2018, in den Edelstahltank links kommt der ungefilterte 2017er, der gefiltert in den Tank rechts läuft, wo er geschwefelt und danach in Flaschen abgefüllt wird (der Schichtenfilter befindet sich hinten und ist nicht sichtbar).

Wieder geht ein ganzer Tag für Vorbereitungen drauf. „Aus den Fässern räumen“ bedeutet nämlich auch 35 km entfernt in Szekszárd 200 neue Flaschen kaufen, 60 gebrauchte haben wir noch, und Korken dazu. Die Flaschen müssen erst einmal gewaschen werden.

Dann möchten wir den Wein filtern, was wir ein paar Jahre nicht mehr gemacht haben. Zuletzt hatte unser kleiner Schichtenfilter – noch so ein italienisches Designerteil – aber immer wieder für Kopfzerbrechen gesorgt. Nie hatten wir eine ideale räumliche Anordnung für die verschiedenen Gefäße und Schläuche gefunden. Unter anderem war ein Problem, dass die eingebaute, relativ schwache Pumpe den Wein vor dem Filtern aus einem etwa 1 Meter hohen Edelstahltank herausziehen musste. Jetzt versuchen wir, den Ansaugschlauch unten am Auslass des Tanks anzuschließen, der Wein läuft dann direkt von selbst in die darunter angeordnete Pumpe. Dafür gab es aber keine passende Verbindung. Der neu erdachte Anschluss funktioniert jetzt bestens, besteht aber aus VIER hintereinander gestückelten Einzelteilen, die aus verschiedenen Abteilungen eines Baumarkts erst zusammen gesucht und kombiniert werden mussten. Nachdem das geklärt war, gab es mehrere Stellproben mit Variationen  „was warum wohin“ kommt, damit niemand beim Hantieren über die Stromkabel und verschiedenen Schläuche stolpert und man einen guten Sitz- und Arbeitsplatz zum Handabfüllen neben dem zweiten Edelstahlgefäß hat, aus dem der gefilterte und letztmals geschwefelte Wein in die Flaschen kommt.

Wie das mit dem Filtern und Abfüllen genau ist, sehen wir dann im Herbst 2019.

Heute sei nur noch erwähnt, dass alle insgesamt 4 Tranchen 2017er Wein schon vor ein paar Tagen zur Analyse im Labor waren, bei einer hochprofessionellen Kellerei für großhandelskompatible Massenweine im Städtchen Bonyhád, das angenehmerweise gegen Gebühren auch Analysen für Privatpersonen macht. Insbesondere die Werte für die sogenannte „freie schwefelige Säure“ und die „gesamte schwefelige Säure“ interessieren, weil freier Schwefel die Haltbarkeit fördert und die Oxidation unterbindet, beim Gesamtwert aber Grenzwerte nicht überschritten werden dürfen. Der Moment vor Abfüllen in Flaschen ist die letzte Gelegenheit für Korrekturen. Das Labor hat aber auch den Alkohol- und den Säuregehalt ermittelt, wie auch den Restzucker. Das will man einfach wissen. Man kann zwar nichts mehr daran ändern, bekommt aber Denkanstöße, dies oder jenes im Rahmen der Möglichkeiten künftig anders zu machen. Die Werte werden natürlich sauber dokumentiert, wie alles was hier im Tagebuch  beschreibend vorgestellt wurde, von Anfang an auch mit Datum, Zahlen und kurzen Notizen in einer tabellarischen Übersicht festgehalten ist.

Am folgenden Tag haben wir dann insgesamt 186 Liter Wein aus 4 unterschiedlich eingelagerten Tranchen einzeln gefiltert und abgefüllt, überschlägig 240 Flaschen Monarch (unsere Sorte), Merlot (zugekauft) und auch Monarch-Merlot-Cuvée. Das ist definitiv zu viel und war nie so geplant, zumal auch eine weitere 2017er Tranche noch in einem 54 Liter-Fass sitzt und dort noch ein weiteres Jahr bleiben soll. Im vergangenen Jahr hatte ich vor der Ernte den Eindruck, dass wir nicht genug eigene Trauben haben und etwas vorschnell „sicherheitshalber“ 150 kg Merlot zugekauft. Wir werden die Mengen im kommenden Jahr stark zurückfahren, unsere Trink-, Lager-, Transport-, Verkaufs- und Verschenkmöglichkeiten sind erschöpft.

Unterdessen hat die 2018er Maische am Tag 6 nach der Weinlese die stürmische Gärung beendet, der Maischedeckel ist weich und lässt sich leicht unterrühren, wobei es jetzt nicht mehr stark aufschäumt. Wir werden die Maische abpressen sobald der 2017er Wein abgefüllt ist.

Ob unser 2018er Wein dann später „bio“ sein wird oder nicht, hängt wohl am ehesten von gesetzlichen Kriterien ab. Aber für weiche Faktoren wie „Ernte nach Vollmond“ haben wir schon Vergleichbares zu bieten: in den letzten Tagen wird die Gärung vom nächtlichen Röhren brünftiger Hirsche umsorgt, was sie ganz zweifelsfrei günstig beeinflussen und dem Wein eine besondere Note verleihen wird. Mucsi ist umgeben von sanften Hügeln, von denen verbuschte und verwilderte ehemalige Weinbergshänge bis sehr nahe ans Dorf reichen.

Das sind ideale Unterstände für Rotwild, von dem es reichlich gibt. Ein röhrender Hirsch kommt dann auch später aufs Etikett dieses Jahrgangs, wie wir bisher meist  markante Tierfotos aus dem jeweiligen Jahr verwendet haben.

 

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15. September 2018 – Von der Fieberkurve der Maische und vom unaufgeregt gluckernden Rosé

Seit Mittwoch wird die Maische zweimal am Tag umgerührt, wenn die Sehnsucht zu groß ist, auch öfter. Es soll früher Winzer gegeben haben, die neben dem gärenden Jungwein geschlafen haben. Heute weckt deren Söhne und mittlerweile auch betriebsführende Enkelinnen aber eher eine app, wenn etwas zu tun ist oder falsch läuft. Bei uns läuft gezwungenermaßen alles natürlich und ohne Computersteuerung. Gerührt wird, weil sich während des Gärvorgangs die Zellstruktur des Traubengelees verändert und der Saft austritt. Die leeren und leichten Traubenschalen schwimmen oben und bilden schnell einen festen, gerne 15 cm dicken und oberseits schnell austrocknenden Deckel.

Das Durchmengen verhindert das Abtrocknen und dass sich oben unter ungünstigen Bedingungen Schimmel bildet. Gleichzeitig bleibt die sich unter dem Deckel ansammelnde gärende Flüssigkeit – nach schnell fortschreitendem Stand der Dinge Most, Rauscher oder Jungwein – weiter in Kontakt mit den Traubenschalen, die fortwährend Farbe und unterschiedlichste Aroma- und Gerbstoffe abgeben. Ohne Umrühren würden diese nicht optimal und vollständig in den Wein übergehen, sondern später mit den Schalen entsorgt. Außerdem rührt der Winzer auch ganz gerne um, weil er sich tief in den Bottich gebeugt einen satten Zug Kohlendioxid gönnt, der schön in den Luftröhren bitzelt. Besser kann man sich von einer erfolgreichen Gärung nicht überzeugen. Auf diesen Moment wartet man das ganze  Jahr. Winzer sind CO2-Junkies.

Das Ende der Umrührphase ist erreicht, wenn der Deckel dünner wird und ganz verschwindet und auch ohne ständiges Mischen ein gleichmäßig dünner Brei verbleibt. Das dauert zwischen 5 und 10 Tagen, wenn es kalt ist auch länger, danach kann abgepresst werden oder auch weiter zugewartet, dass der Wein „dicker“ und intensiver wird. Manche Rotweinsorten sind schlechte Farbgeber. Auf einer Frankfurter Weinmesse habe ich einen Winzer getroffen, der berichtet hat, dass er seinen Spätburgunder 2 Monate auf der Maische liegen hat. Manchmal denke ich zwar etwas ungläubig, dass er mich für einen dieser Nordend-Weintrinker gehalten hat, die den Winzern dumme und naseweise Detailfragen stellen und dann mit schrägen Antworten zurück flunkert, aber bei über 10 Tagen Maischelager waren wir auch schon angekommen. Egal, schwarzblau war unsere Maische von Anfang an. Wir entscheiden dann eher spontan, wann wir diese Phase beenden.

Da im Moment nichts weiter zu tun ist als das wiederkehrende gleichförmige Umrühren, löse ich noch ein Versprechen von früher ein, auf die Unterschiede bei der Vergärung und beim Abpressen von Weißwein und Rotwein zurückzukommen: Beim Rotwein wird am Ende der Vergärung das Innere der Trauben – der Gelee, das Fruchtfleisch – weitgehend verflüssigt sein. Aus Kernen, Stielresten und Schalen sind unendlich viele Geschmacks- und Aromastoffe in den Wein übergegangen. Etwa 80 Prozent der gesamten Maische sind jetzt flüssig, der Wein durch einfaches Auspressen leicht von den zurückbleibenden Teilen – dem „Trester“ – zu trennen. Von unseren 225 Liter Maische wird nach Abpressen eine im Durchmesser etwa 50 cm messende, vielleicht 30 cm hohe runde und fast trockene Scheibe aus gepressten Schalen und Kernen zurückbleiben, mehr nicht (Fotos folgen).

Weißwein wird aber sofort nach dem Zerquetschen in der Mühle abgepresst und nur der Saft wird vergoren. Das Pressen ist ungleich schwerer, der Gelee in den Trauben ist noch nicht verflüssigt, die Saftausbeute geringer. Nur die Profis erreichen mit ihren Hightech-Pressen eine ähnliche Ausbeute wie beim Rotwein. Wir kommen bei Rotwein mit der Maischegärung und der handbetriebenen Presse auf etwa 80 Liter Jungwein pro 100 kg Trauben. Bei Weißwein werden es meist weniger als 60 Liter pro 100 kg Trauben, der abfallende Presskuchen bleibt deutlich feuchter als bei Rotwein. Wobei man den Weißweinrest aber nicht zwingend entsorgen muss. Man könnte ihn wieder mit Wasser verflüssigen und Zucker und Hefe ansetzen, vergären und anschließend eine Art Traubenbrand brennen lassen, einen Schnaps irgendwo zwischen Wein- und Tresterbrand. Beim Rotwein wäre das weniger ergiebig, da ist ja der gesamte Zucker bereits während der Bottichgärung in Form von Alkohol im Wein gelandet, die Schalen und wenigen Fruchtreste sind bereits „verbraucht“.

Jetzt zum „Maischefieber“: der Gärprozess wandelt nicht nur Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um, er setzt auch Wärme frei. Große Gebinde mit mehreren tausend Liter Maische werden sogar richtig heiß. Ich kann es gerade nicht belegen, meine aber eine Empfehlung gehört zu haben, bei 40°C kühlend einzugreifen. So etwas soll etwa in Spanien bei sehr hohen Außentemperaturen durchaus vorkommen. Wikipedia flüstert mir gerade aus dem Hintergrund zu, dass die meisten Winzer Rotwein bei kontrollierten 22 bis 25°C, Weißwein bei 15 bis 18°C vergären.  Unsere Maische hat heute (Sonntagmorgen, Tag 4 nach Ernte und Einmaischen) 25°C, vorgestern Abend waren es 31°C, wahrscheinlich der Höhepunkt der „stürmischen Gärung“. Unsere Möglichkeiten der Temperaturkontrolle bestehen allerdings nur im möglichst virtuosen Umgang mit den Reglerknöpfen „Tür zum Kellerhaus auf“, „halb auf“, „halb zu“, „zu“, „Fensterläden auf/zu“. Als Zusatzoption bei kalten Temperaturen können wir noch die Trumpfkarte „Heizlüfter“ ziehen.

Im Moment ist das Kellerhaus innen auch nachts etwa 23°C warm, da müsste man eher schon kühlen, um der weiteren Aufwärmung durch die Gärung entgegenzuwirken. Der tiefer gelegene Lagerkeller unter der Erde hat zwar nur 18°C, aber den schweren Bottich können da nicht gut hinwuchten.  Also läuft der Rotwein mehr oder minder ungeregelt, das hat auch seinen Charme. So einen Wildfangwein können Profis nämlich überhaupt nicht mehr bieten.

Den kleinen Glasballon mit dem Rosé haben wir allerdings schon bald nach unten gebracht. Der legte oben im Kellerhaus los wie die Feuerwehr, jetzt gärt er unaufgeregt, aber sehr stetig bei idealen 18°C vor sich hin. Das belegt das nicht mehr so sehr schnelle Gluckern im Gärverschluss und auch das folgende Video (Bild anklicken, Media-Player erforderlich):

Den Unterschied der Umgebungstemperaturen der beiden Gärprozesse zeigen auch schön die aktuellen Restzuckerwerte. Beim „warmen“ Rotwein haben die Hefen in sage und schreibe nur 4 Tagen bereits zwei Drittel des gesamten Zuckers verbraucht. Von anfangs 22 sind nur noch 8 Grad Zucker nach KMW vorhanden (40 von 110 Oechslegraden). Der langsamer und kühler gärende Rosé ist zwar auch fleißig gewesen, bringt es aber noch auf 10,5 KMW bzw. 50 Ochsen. Und wir erinnern uns hoffentlich alle: der hatte noch nicht einmal so viel Zucker wie der Rotwein, den haben wir ja entnommen, bevor wir die Maische aufgezuckert haben.

Nächste Haltestellen: Abpressen, Einlagern. Wir melden uns. Für den Moment aber: Bildschirme schließen, Vorsicht bei der Abfahrt!

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12. September 2018 – Ausgelesen, abgerappt, eingemaischt

Im Weingarten steht eine Kohorte ausländischer Erntekräfte, in diesem Jahr kommt eben auch bei uns zum Tragen was in der EU üblich ist.  Nur ist der Betreuungschlüssel Weinstöcke pro Arbeitskraft deutlich besser: eine ist für eine nur 15 Meter lange Reihe zuständig.

Da können in Ruhe auch angefressene Beeren einzeln per Hand entfernt werden.

Die Trauben werden mit Stiel von den Stöcken geschnitten und durchgesehen und landen in einem Eimer. Die Hobbywinzergattin leitet an und führt Aussicht. Es geht langsam voran.

Jemand trägt die Eimer ins Kellerhaus. Dort wartet die Traubenmühle, die die Beeren zwischen Zahnwalzen zerquetscht und anschließend die Stiele entfernt.

Die Trauben fallen nach unten in den Maischebottich, während die erstaunlich blanken Stiele am Ende einer Röhre aus Lochblech in die bereit stehende Schubkarre fallen.

Verblüffend, aber eine ganz einfache Mechanik: mit den Zahnwalzen dreht sich ein Metallstab mit Flügeln, die die Trauben und Stiele durch die Röhre schieben, die bereits angeknickten Beeren bleiben an den scharfen Kanten des Blechs hängen und fallen durch die Löcher, am Ende der Röhre sind die Stiele blank.

Das funktioniert aber nur mit einigermaßen ganzen „Pergeln“, wie man ganzen Fruchtstand der Weinpflanze auch nennt.

Früher wäre es allerdings eher üblich gewesen, die Trauben mitsamt den Stielen zu vergären ist. Es kommen dann mehr herbe Noten in den Wein, Gerbstoffe, Harze und anderes aus dem Holz. Früher hat man jedenfalls hier im Dorf die ganzen Pergel in den Bottich geworfen und die Kinder mit nackten Füßen durch den Brei gejagt. Heute ist die Abtrennung der Stiele aber einfach möglich und üblich, wir gehen mit der Zeit und sind stolz, so ein italienisches Designergerät zu haben.

Nachdem die Kinder aus dem Bottich raus sind, wäre auch früher an dieser Stelle nach Abwaschen der Füße Feierabend gewesen. Der Weinbauer hätte jetzt zugewartet bis der Wein in den kommenden Stunden und Tagen selbständig zu gären – zu „kochen“ – beginnt. Diese so genannte Spontangärung kommt zunehmend wieder in Mode. Das ist interessant und spannend, geht aber auch schnell damit einher geht, dass der Winzer irgendwann nur noch bei (alternativ „vor“ oder „nach“) Vollmond erntet und links drehende Ziegenhörner im Weinberg vergräbt. Spontan vergären macht aber auch der Biowinzer nur mit absolut einwandfreiem und hochwertigem Lesegut und dem imageträchtigen Teil seiner Produktion. Für die Butter und Brot-Ware, von der er am Ende leben muss, setzt er aber alles ein, was an Methoden und Verfahren im modernen Weinbau zur Verfügung steht. Wenn die Trauben wenig Zucker haben, angeschimmelt und angefressen sind und auch noch die Kellertemperatur niedrig, wird man nicht auch noch eine Spontangärung riskieren.

Und an dieser Stelle reihen wir uns mit der heutigen Ernte auf der sicheren Seite ein: wir setzen der Maische Reinzuchthefen zu. Wie früher angedeutet, wandeln Hefen den Zucker aus dem Traubensaft in Alkohol um. Es gibt aber tausende wenn nicht Millionen unterschiedliche Hefestämme (Hefen sind im Grunde auch nur Pilze). Viele davon sind der alkoholischen Gärung fähig. Aber nicht alle machen den Job so wie es der Mensch gerne hätte. Manche arbeiten sauber und produzieren überwiegend reinen trinkbaren Alkohol, wenn auch nicht unbedingt 100% chemisch sauberes Ethanol. Alle bilden aber auch mehr oder weniger sonstige Stoffe, die ab einem bestimmten Anteil den Wein fehlerhaft machen. Wenn man den Wein spontan gären lässt, hat man keinerlei Kontrolle darüber, welche Hefen genau aus der Luft und aus den Kellerräumen in die Maische gelangen und was sie dort tun. Daher impft man die Maische lieber mit einer der gängigen Reinzuchthefen, die weltweit aus anerkannt guten Stämmen gezüchtet werden. Und zwar in solch hoher Dosis, dass die wilde Konkurrenz erst gar nicht zum Zuge kommt und nur am Rande an der Gärung beteiligt ist.

Da das Thema später nicht mehr behandelt wird, kurz noch eine Anmerkung zur zweiten Bedeutung von Reinzuchthefen: unterschiedliche Hefen erzeugen unterschiedliche Geschmacksnoten aus den gleichen Trauben. Aktuell kann man das Phänomen gut bei Bier nachvollziehen, da kennen die craft beer-Trinker inzwischen die lateinischen Namen der Hefestämme. Reinzuchthefen werden gewonnen aus natürlich vorkommenden Hefen und kommerziell vermehrt. Sie stammen aus bestimmten Weinkellern und Regionen. Dort haben sie über Jahrhunderte natürlich – „spontan“ – für die Gärung gesorgt und durch ihre jeweilige Charakteristik für eine unverwechselbare Geschmacksnote der örtlichen Weine gesorgt. Heute kann man weltweit alle bewährten Hefen kaufen, sie heißen „Burgunderhefe“ oder „Bordeaux“, und seinen Wein in eine bestimme bevorzugte Richtung anschieben. Manche Hefen holen aus einem Sauvignon Blanc mehr Maracuja-Noten heraus an andere. Wo schmeckt der am allerfeinsten? Im Neuseeland, also hole ich mir eine Hefe aus Neuseeland und hoffe, dass das funktioniert.

Wir benutzen die in Südafrika entwickelte Hefe NT202 („Gärkräftige Hefe für gehaltvolle, strukturierte Rotweine……). Unser Wein wäre anders wenn wir eine andere oder gar keine Hefe einsetzen würden. Wir haben den Vergleich: der Nachbar hat die gleichen Trauben und ist ein Spontangärer. Der Unterschied ist schmeckbar. Die Hefe kommt als trockenes Granulat, wir nehmen weniger als die vom Hersteller empfohlene Menge von 30 gr/Hektoliter. Sie wird in verdünntem Traubensaft angerührt und in die Sonne gestellt, nach einer halben Stunde zeigen sich Bläschen, die Hefe beginnt ihre Arbeit. Nach einer weiteren halben Stunde ist sie soweit aktiviert, dass sie in die Maische eingerührt werden kann.

Die Erntebrigade hat nach 3 Stunden bei 32 Grad Celsius in praller Sonne den Bottich zu etwa drei Vierteln gefüllt. Am Schluss liegen darin 225 Liter Maische fast ohne Stiele. Das werden nach einer gängigen Formel nach Abpressen in 6-10 Tagen überschlägig bis zu 180 Liter junger Wein. Abgezogen sind dabei schon 26 Liter relativ hellen Traubensafts, den wir gleich zu Anfang ohne jeden Druck aus dem Hahn am Bottich haben ablaufen lassen. Der sitzt jetzt in einem separaten Glasballon und wird hoffentlich ein Rosé oder wenigstens ein heller Rotwein. Denn unsere Traubensorte färbt den an und für sich weißen Saft sehr schnell und früh rot ein. Andere Sorten brauchen dazu Tage, die einsetzende alkoholische Gärung und erzeugen dennoch nur sehr helle Rosés. Warum wir es machen: wir wollen ein wenig helleren, leichten Wein haben, aber auch von dem profitieren was das Ablassen von Most ganz am Anfang sonst noch bewirkt. Die Menge der Schalen und Kerne bleibt nämlich im Bottich gleich, dafür ist die Flüssigkeitsmenge geringer. Die Farb- und Aromastoffe sind im späteren Wein in höheren Anteilen enthalten als ohne die Entnahme des Roséweins. Da heutzutage sehr dichte, intensive Rotweine bevorzugt werden, kommt man nicht ohne dieses Verfahrens aus. Rosé als leichter Balkonwein ist auf der einen Seite eine Mode, auf der anderen aber eine Begleiterscheinung oder auch ein Abfallprodukt der Rotweinherstellung.

Der Rosé „kocht“ schon am gleichen Abend, der schwimmende Deckel des Gärverschlusses hebt und senkt sich gleichmäßig. Die alkoholische Gärung setzt Kohlendioxid frei, das aus dem Most perlt und sich über dem Flüssigkeitsspiegel ansammelt bis es durch den Überdruck aus dem Gärverschluss herausblubbert. Auch die Maische im Bottich riecht schon bald nach Gärung. Das Lesen in der grellen Sonne hat sich gelohnt: die Trauben sind sehr warm eingemaischt worden, die Hefe fängt unmittelbar an zu arbeiten. Im vergangenen Jahr hat das Tage gedauert, bei 12 Grad im nächtlichen Kellerhaus mussten wir heizen, damit überhaupt etwas passiert. Jedes Jahr ist anders.

Der natürliche Zuckergehalt von Trauben und Most betrug übrigens rund 100 Oechsle oder 20 Grad auf Kloster Neuburg-Skala (KMW). Daraus würde ein Wein mit rund 12% Alkohol entstehen. Für Rosé ist das OK, der Rotwein dürfte gerne eine Umdrehung mehr haben, zumal die Laborwerte für den 2017-er teilweise nur bei 11,5% lagen. Wir haben die 225 Liter Maische mit 4 kg aufgezuckert, jetzt hat der auslaufende Most 110 Oechsle/22 KMW, damit kommen wir wohl an 13% Alkohol heran. Bestätigung etwa in einem Jahr, vorher lassen wir das nicht messen.

Für heute ist das Wichtigste getan und gesagt, müde sind sowieso alle. In den kommenden Tagen wird die Maische täglich zweimal umgerührt, warum erzähle ich dann und was sonst auch heute noch interessant gewesen wäre.

Jetzt müssen wir noch mit dem Schlauch die auseinandergebaute Traubenmühle und die klebrigen Eimer und Rebscheren abspritzen, das Kellerhaus ausfegen, die Strünke entsorgen und was sonst der Lehrbub, den wir nicht haben, ungern tut, hinter uns bringen. Da sitzen die ausländischen Erntekräfte längst unter der schattigen Laube und besprechen das heute erlebte Abenteuer.

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6. September 2018 – Besenschwingen, Zucker, Geiz und eine Prise Politik

Und wenn es noch so wichtig ist: ähnlich wie der Lehrbub fegt auch der Hobbywinzer das Kellerhaus nicht wirklich gerne aus, noch reißt er sich um das Sortieren und Reinigen des Geräts. Aber es hilft nichts: alles muss raus und einmal wenigstens kurz mit Wasser abgespritzt, Spinnweben von der Kellerdecke gewischt, der Boden gekehrt werden. Vom Speicher rollt der große rote Kunststoffbottich auf die Wiese, darin soll die Maische kommende Woche gären. Die Traubenmühle ist noch beim Nachbarn in Benutzung und stößt später dazu.

Am späten Vormittag entschließen wir uns, den Trauben für die verbleibende Zeit bis zur Ernte so viel direkte Sonne wie möglich zukommen zu geben und entfernen das Laub drum herum.  Unter idealen Bedingungen sollte der Zuckergehalt selbst in wenigen Tagen noch einmal messbar ansteigen.

An dieser Stelle zum ersten Mal ein Blick voraus auf die alkoholische Gärung: Hefen werden den Zucker im Traubenmatsch in Alkohol (und Kohlendioxid) umwandeln. Je mehr Zucker, desto höher der Alkoholgehalt des Weines. Der Gehalt an natürlich gebildetem Zucker gilt als der Qualitätsmaßstab für Weintrauben schlechthin, sie sollen natürlich auch nicht verschimmelt sein oder beschädigt. Aber sehr viele sind angeknabbert, beim Entlauben zeigen sich das Ausmaß des Wespenfraßes und auch die Folgen: stellenweise riecht es im Weingarten beinahe wie in einem Keller mit gärenden Gefäßen. Es wird uns klar, dass die Ernte nächste Woche nicht zack-zack gehen wird, sondern das Verlesen und Aussortieren von Hand Zeit und Sorgfalt brauchen wird. Es wird nicht zu vermeiden sein, es sollen aber möglichst wenig angefressene und angegorene im Bottich landen.

Zurück zum Zucker: ich sagte mit Absicht „Gehalt an natürlich gebildetem Zucker“, denn das ist die Basis zumindest der deutschen Qualitätszertifizierung. Ab der Stufe „Kabinett“ muss der Zucker in den Trauben vollständig ausreichen, es darf nichts zugesetzt werden. Das ist teilweise ein Mythos, weil es den Hefen und am Ende auch dem Trinker gleich sein kann, aus welchem Zucker sich der Alkohol im Wein bildet. Das System bevorzugt und schützt erst einmal geographische Lagen und traditionelle Weinbaugebiete, in denen die Sonne für ausreichend Zucker in den Trauben sorgt. Das ist hauptsächlich ein wirtschaftliches Schutzsystem, wie auch die ganze Zulassungspraxis für Traubensorten und die EU-weite Kontigentierung von Anbauflächen. Im Prinzip könnte man auch Alkohol aus Zuckerwasser und Hefe machen. Der schmeckt dann natürlich nicht wie Wein, dessen Geschmack machen aber weitgehend alle anderen Inhaltsstoffe der Trauben NEBEN dem Zucker aus: tausende hochkomplexe biochemische Geschmacksverbindungen, Esther und wer weiß was, bei Rotwein auch die Farbe in den Schalen und Bitterstoffe aus den Kernen, die berühmten „Tannine“ eben. Und da punkten natürlich die sonnenbegünstigen traditionellen Anbaugebiete, den Zucker könnte man aber auch anders hinzufügen. Und tut es auch ungeniert und ganz legal unterhalb der Qualitätsstufe „Kabinett“. So mancher Weinromantiker hat sich während der Erntezeit schon über etliche Paletten mit Südzuckerpäckchen in den Höfen von Weingütern gewundert. Die Zuckerrübenbauern verdienen jedenfalls ganz ordentlich auch an den Winzern.  Auch wir zuckern unsere Maische im Zweifelsfall ein wenig auf, um zu verhindern, dass der Wein vollständig durchgärt und kein Zucker mehr im fertigen Wein verbleibt. Ich komme auf das Thema noch einmal bei der Einmaischung zurück, Vorsorge ist aber schon jetzt getroffen. Zucker ist um diese Zeit in ungarischen Geschäften selbstverständlich im Angebot und sitzt auf Paletten zwischen den Regalen.

Nach diesem Exkurs fasse ich mich jetzt etwas kürzer: beim Entlauben haben wir unglaublich viele weit entwickelte, aber noch grasgrüne Geiztrauben ausgeschnitten. Hatten wir in dieser Menge noch nie, können wir nicht erklären. Müssen aber weg, weil sie Nährstoffe abziehen und Zucker einlagern, der den bereits reifen Trauben dann abgeht. Schnipp schnapp, weg.

Auf den reifen Trauben sitzen übrigens nicht nur Wespen, sondern auch zahlreiche Schmetterlinge, wahrscheinlich vom Zucker von ausgeplatzten Trauben angezogen oder von der Wärme auf den schwarz-violetten Früchten oder auf Blättern in der Sonne.

Vor diesem Hintergrund wirken die Admirale (Bild) und Tagpfauenaugen grellbunt und auffällig, etwas unauffälliger ist der C-Falter. Überhaupt ist es mir eine Freude zu sehen, dass hier noch ein paar mehr Insekten unterwegs sind als in diesem deutschen Sommer: außerhalb des Weingartens fliegen an Schmetterlingen noch ein Großer Waldportier vorbei und etwas Unbestimmtes weißes und gelbes, evtl. ein Postillion. Und die Gottesanbeterinnen beginnen sich offen zu zeigen, sie sitzen jetzt zunehmend in der direkten Sonne vor unserem Haus.

Am Nachmittag Nachbarschaftshilfe: zwei Häuser weiter wird gelesen, da hilft man natürlich mit.

Mit zuckerversklebten und rebscherenbewehrten Händen, Blick in die Laubwand, werden nicht nur Trauben abgeschnitten und in Eimer geworfen, es wird auch zaghaft etwas politisiert. Ob wir schon gehört hätten und was wir davon hielten, dass hiesige Regierung und Medien täglich verkünden, dass der FIDESZ im kommenden Jahr nach den anstehenden Wahlen zum Europaparlament mit der deutschen AfD „zusammen geht“ und vielleicht bestimmt auch mit der CSU, die sich zunehmend von „der Angela“ entfremdet. Und dass man dann mit den anderen konservativen Kräften in Europa „ganz sicher“ eine Revolution wird anzetteln können und der Sieg nur noch eine Frage der Zeit ist, dass man „den Holländer“ (Junckers) und „die Angela“ jetzt einfach nur noch aussitzen muss und nicht mehr ernst nehmen braucht. Wir Deutschen sind nicht so sicher wie die ungarische Regierung, zumindest nicht, dass es ganz genau so kommen wird, jedenfalls nicht, ob und dass die CSU ihre enge Freundschaft mit dem FIDESZ auch dann wird fortsetzen können, wenn dieser mit der AfD zusammengeht. Auch hier in Ungarn glaubt und will das nicht jeder, auch nicht jeder Nachbar. Schnell sind mit 5 Kräften die Trauben abgeerntet und in die Mühle geschüttet, in der sie zerquetscht und von den Stielen befreit werden.

Der Bottich ist gut voll mit auf glänzender schaumiger Zuckerbrühe schwimmenden Trauben, die spontan zu gären beginnen werden, der Nachbar wird keine Hefe zusetzen, aber vielleicht etwas Zucker.

Als Belohnung gibt es im Anschluss leckeres Letscho und ein paar Schlucke Wein vom vergangenen Jahr. Und den Tipp, vielleicht Wespenfallen zwischen die Trauben zu hängen, was dann kurz vor Dunkelwerden noch in die Tat umgesetzt wird. Leere Flaschen werden mit Zuckerwasser und etwas Bier gefüllt. Infamerweise streue ich noch ein paar Krümel Reinzuchthefe in die Flüssigkeit, die morgen in der Sonne zu gären beginnen dürfte. Und ab dafür.

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5. September 2018 – Nächtliche Besucher

Sie sind immer noch beide nächtens unterwegs, der Fuchs und der Dachs, armweit von unseren Weintrauben entfernt. So gesehen, könnten beide die Diebe sein:

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5. September 2018 – Freude für Dachs, Hornisse und Mensch: 110 Öchsle!

Gestern Abend im Dunkeln angekommen, es reicht nur noch für einen ersten Blick mit der Taschenlampe in den Weingarten. Hurra!, allerorten hängen dicke blauviolette Trauben. Im Lichtkegel ist aber auch zu sehen, dass vieles von dem, was knapp über dem Boden nach unten aus der Laubwand hängt, sauber abgeknabbert ist. Mehr dann am nächsten Tag. Jetzt erst einmal Koffer auspacken, das Haus durchfegen.

Am frühen Morgen dann springt die Winzerin direkt aus dem Bett und in Haussandalen für eine Stunde in die Blumenbeete am Haus und reißt erst einmal mit immer lehmiger werdenden Füßen das Unkraut aus. Ansonsten warten wir mit Gras schneiden und anderen Arbeiten bis die Wiese und der Weingarten etwas trockener sind, räumen das Grundstück grob auf und richten uns nach der langen Abwesenheit wieder ein. Kommende Woche erwarten wir 6 Gäste, mit denen wir wohl die Weinlese und die Einmaischung der Trauben machen werden.

Am späten Vormittag dann gemeinsam mit dem Nachbarn und bewaffnet mit einem Refaktometer die erste ernsthafte Begehung des Weingartens.

Die Messungen des Zuckergehalts der an verschiedenen Stellen abgezupften Trauben ergeben Erfreuliches: jeweils 4 bis 6 Trauben werden in der Hand zerquetscht,der Saft tropft auf den Probenträger des Refaktometers, der Zuckergehalt wird durch die Lichtbrechung in zwei Primen ermittelt und auf einer Skala angezeigt: satte 110 Grad Öchsle, bei verschiedenem Proben auch mehr, oder 21 Zuckergrade auf der Kloster Neuburger Mostwaage (KMW)!

Unser Refaktometer zeigt parallel beides an, die Werte sind aber jetzt ungenau, weil eigentlich endgültig nur im „gärfertigen Gefäß“ und bei exakt 20 Grad Celsius zu messen ist und außerdem nur der möglichst klare Traubensaft. Auf Deutsch: wir werden es nie vollständig genau erfahren, weil es beim Rotwein bis zur Abpressung niemals klaren Traubensaft ohne irgendwelche Schwebstoffe gibt, sondern immer Kerne, Schalen und Geleereste des inneren Fruchtfleisches im Spiel sind. Dennoch: auch der ungefähre Wert macht froh, wir wissen was wir in etwa haben.

Und auch das: Die Verluste durch Dachs, Fuchs und oder Reh sind deutlich, aber hinnehmbar. Sagen wir mal 10 Prozent. Am Abend Gedankenspiele, von pantomimischen Einlagen beflügelt: Wer war der Dieb? Vorläufiges Ergebnis: Dachs. Es sind nur die untersten Trauben weg.

Der Fuchs hätte aufgerichtet auf die Hinterbeine aber auch noch in über einem Meter Höhe aasen können, dort ist aber noch alles da. Auch Rehe (wir haben das nachgestellt) bräuchten nur in normaler Körperhaltung mit der Schnauze voran geradeaus in die Trauben laufen, um zu fressen. Unten hätten sie sich stark bücken und den Kopf verdrehen müssen, warum das denn? Für die Dachse allerdings mit ihren kurzen Beinchen hängen die unteren Trauben ideal: Kopf hoch, Maul auf, Fressen. Aha! Mal sehen was die UV-Wildbeobachtungskamera in den folgenden Nächten tatsächlich einfängt. Das ist aber auch egal, unten ist jetzt ohnehin nicht mehr viel dran.

Dafür droht oben etwas, von dem überhaupt noch nicht die Rede war: Heerscharen von Wespen, assistiert von ein paar Hornissen, fressen mehr und mehr Trauben an.

Das ist insofern problematisch, als durch die Löcher in den Schalen wilde Hefen eindringen, die überall durch die Luft schwirren, und eine unkontrollierte Mikrogärung einsetzt. Auch könnten Essigbakterien mitkommen, die die kleinen Mengen an noch im Weinberg in den Trauben sich bildenden Alkohol umgehend in Essig umwandeln.

Im Zweifelsfall bedeutet das, dass wir bei der Lese alle angefressenen Trauben einzeln mit der Hand entfernen müssen. Wir haben uns daher entschlossen, unverzüglich mit der Leser zu beginnen sobald die Gäste einsatzbereit sind. Am Ende könnten sonst die Wespen mehr Schaden anrichten als Gutes durch weiteres Zuwarten und ansteigenden Zuckergehalt zu erwarten ist.

Also, in den kommenden Tagen alles dafür vorbereiten (Bericht und Fotos von den Vorkehrungen folgen). Eines doch heute noch: parallel zu allem was für den 2018er Jahrgang zu tun ist, wird der 2017er zu versorgen sein, der seit vergangenem Herbst noch in 4 jeweils etwa 60 Liter fassenden Eichenfässern lagert.

Proben müssen ins Labor, danach muss er gefiltert, frisch geschwefelt und dann in Flaschen gefüllt werden. Und zwar zwingend, sonst haben wir keinen Platz für den neuen Wein. Genaues Vorgehen und Entscheidungen dann abhängig davon wie viele Trauben wir werden ernten können bzw. der Hochrechnung, wie viel Jungwein daraus resultieren wird. Die heutige Kellerbegehung ergibt schon einmal, dass eines der Fässer nicht zur Verfügung wird stehen können. Darin liegt ein(e) Cuvée aus Merlot und unserer eigenen Sorte Monarch, das/die über den Sommer noch einmal kräftig gearbeitet hat. Zwar haben auch die anderen Fässer bei für unseren Keller sommerlichen Temperaturen um die 18 Grad Celsius eine zweite Gärung vollzogen, bei der der erwünschte so genannte Biologische Säureabbau (im Jargon: BSA) vonstatten geht, 3 der 4 Fässer sind dabei sogar übergelaufen. Das Fass mit der Mischung hat aber besonders heftig gearbeitet, der Wein ist trüb und man spürt Schmutz- und Staubreste im Mund, die von dieser malolaktischen oder Milchsäuregärung hochgewirbelt worden sind. Die Erklärung ist schlicht: das Fass setzt sich aus den Resten der in den anderen Fässern in reinen Tranchen einsitzenden Weine zusammen, in denen naturgemäß der meiste Bodensatz verbleibt. Und der gärt nun mal am besten. Jetzt müssen wir vielleicht noch in den Winter hinein warten, bis sich das wieder absetzt und beruhigt.

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6. Juli 2018 – Umfärbung der Trauben, leichte Laubarbeiten, letzter Pflanzenschutz

<Größere Abbildungen durch Anklicken der Fotos>

Seit ein paar Tagen ist die beginnende Umfärbung der mächtig angeschwollenen Trauben nicht mehr zu übersehen (z. Vergleich siehe das erste Bild auf dem Eintrag vom 12. Juni): alle Sorten sind zunächst grün, Weißwein geht mit der Reifung ins Gelbliche, Rotwein ins Blauviolette. Dabei sind bei den allermeisten Rotweinsorten nur die Schalen blau, das Fruchtinnere ist aber hell wie bei Weißwein. Darauf kommen wir später im Jahr noch einmal bei der Vermaischung und Vergärung zurück, denn dieser Unterschied erfordert eine andere Art der Verarbeitung.

Ob die Umfärbung heuer nicht etwa viel zu früh und der Wachstums- und Reifungszyklus insgesamt nach vorne verschoben ist, werden wir erst Anfang September sehen. Denn übermorgen fahren wir zurück nach Frankfurt und überlassen den Wein für etwa 8 Wochen sich selbst. Mitte der ersten Septemberwoche sind wir wieder hier und müssen möglicherweise sofort mit der Ernte der schon überreifen Trauben beginnen. Es kann aber auch sein, dass wir die Stöcke gesund und die Trauben süß antreffen und abhängig vom Wetter und was sonst so zu tun ist noch ein paar Tage oder auch Wochen hängen lassen können.

Was wir dem Weingarten bis dahin jetzt noch mitgegeben haben: einen Sommerhaarschnitt und die Befreiung von überschüssigen Trieben und nachwachsenden Blüten. Alles was über dem höchsten Längsdraht hinaus schaut ist stark eingekürzt.

Seit Anfang Juni nachgewachsene Triebe sind nur dann erhalten worden, wenn sie die Trauben beschatten. Die brauchen erst im Endstadium der Reifung direkte Sonne, vorher ist die eher weniger zuträglich. Vor  allem aber haben wir Jagd auf frische Blüten gemacht, denn aus denen werden durchaus noch Trauben.

Die reifen aber in diesem Jahr nicht mehr, ziehen aber trotzdem Nährstoffe ab, die besser denen Trauben zukommen, aus denen unser diesjähriger Wein entsteht.

Der Berichtspflicht geschuldet sei noch angemerkt, dass sich das Krankheitsbild verschiedener Stöcke nicht wirklich verbessert hat. Die Rotverfärbung mit nachfolgendem Verwelken der ganzen Blätter ist jetzt sogar auf einigen weitere Stöcke zu sehen.

Wir haben keine Ahnung was es ist und was man tun könnte. Und wenn man nichts weiß und nichts hilft, kann man ja immer auf Kupfer und Schwefel zugreifen. Entsprechend gibt es morgen – der treue Leser wird es ahnen – für dieses Jahr noch die letzte Runde dieser allseits beliebten Stoffe auf die Blätter. Das kann jetzt nichts schaden, aber vielleicht doch nutzen. Und mit 8-10 Wochen Vorlauf auf die Ernte ist auch genug Zeit, dass sich das Zeug natürlich wieder abbaut. Die so genannte „Wartezeit“ für das Präparat beträgt ohnehin nur 21 Tage.

Im Grunde sind wir mit dem seit Beginn dieser Aufzeichnungen Gesagten beinahe für den Jahrgang 2018 mit der „Grünwirtschaft“, also der Arbeit an der Pflanze, fertig, dabei allerdings mit riesigen Sauseschritten von Episode zu Episode gesprungen. Allenfalls ist noch im Herbst das Laub zurück zu schneiden, so dass die Trauben direkte Sonne bekommen. Alle weiteren Arbeiten danach an den Pflanzen sind schon wieder eher Vorbereitungen, die dem Jahrgang 2019 zugute kommen. Da gerade der Rotwein nach der Ernte bis zur Abfüllung ein Jahr oder auch mehr braucht bis er in Flaschen kommt und noch später getrunken wird, hat man eigentlich immer unterschiedlichste Arbeit in Weingarten und Keller mit 2-3 Jahrgängen gleichzeitig. Was wir also in diesem Jahr etwa für den 2017-er in den Fässern im Keller getan, aber hier nicht berichtet haben, beschreibe ich ausführlich sobald diese Arbeiten bei unser aller 2018-er anfallen. Soviel sei aber verraten: der 2017-er war schon zweimal im Labor, um die enthaltene Menge an freier schwefliger Säure zu ermitteln, die ihn vor zu schneller Alterung und Oxidation schützt. Und da die einmal zu gering war, musste der Wein aus den Fässern ausziehen, wurde frisch geschwefelt und in die Fässer zurück gesetzt.

Im Herbst wird er dann in Flaschen abgefüllt, denn die Fässer, in denen er jetzt sitzt, werden für den 2018-er gebraucht. Und wir haben die insgesamt vier 2017-er Tranchen in verschiedenen Fässern natürlich ausgiebig und fachmänisch mit dem Nachbarn verglichen und verkostet.

Was als Nächstes kommt: Anfang September werden das Kellerhaus aufgeräumt und Gerätschaften und Behältnisse gesäubert und bereit gestellt.  Dann werden wir den Weingarten zum vorerst letzten Mal in diesem Jahr betreten, mit Schere und Eimer in der Hand, zur Traubenernte. Die Trauben tragen wir dann gemeinsam in das Kellerhaus und ich erkläre gleichzeitig wie es weitergeht.

Für den Moment noch beste Sommergrüße mit dem Portraitfoto einer zugeflogenen Hirschkäferin. Leider wurde der Gatte noch nicht gesichtet, aber ich freue mich hier auch so regelmäßig über die Begegnung mit vielen Viechern, die ich in Deutschland noch niemals gesehen habe.

Im Moment bin ich so ein großer Verehrer der Äskulapnatter, die gelegentlich bei uns sonnt und auch schon versucht hat, ihr Winterquartier in unserem Weinkeller aufzuschlagen. Leider sehe ich sie nicht sehr häufig und meine Fotos sind meist unscharf. Sie ist ziemlich flink.

 

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21. Juni 2018 – Alles im Lot, aber man macht sich so seine Gedanken

Heute zum zweiten Mal in diesem Jahr Kupfer und Schwefel gespritzt, diesmal aber mit dem großen und schweren Gerät, das man auf dem Rücken trägt. Das ist lästig und schweißtreibend. Dabei noch einmal genau den Weinstöcken auf die Blätter geschaut:

Insgesamt ist die Anlage in Schuss, wäre aber vielleicht nicht ganz ohne diese Spritzung „durchgekommen“. Sie ist grün und wirkt gesund, es gibt aber hier und dort unüberschaubare  Schäden und Merkwürdigkeiten, die wir nicht zu deuten und behandeln wissen. Diese sind im Moment zwar deutlich auf einzelne und wenige Stöcke begrenzt. Geschädigte Triebe wachsen sogar in gesunde Nachbarpflanzen hinein und umgekehrt, ohne das es eine Ansteckung oder Wechselwirkung zu geben scheint.  Gerne würde ich mich darauf verlassen, dass es so bleibt, aber es besteht schon auch die Möglichkeit, dass es sich um Vorzeichen dessen handelt, was auch den gesunden Stöcken droht, wenn nicht jetzt dann später  oder sehr viel später. Das kriegen wir aber nicht geklärt und können es nur beobachten und nach Bachgefühl vorgehen.

Also erst einmal die Universalwaffe Schwefel&Kupfer versprühen,  um die Schwächung durch die beiden Mehltäue (Personospora und Oidium) zu verhindern. Dann welke Blätter und andere auffällige Pflanzenteile herausnehmen. Wenn einzelne Stöcke dauerhaft kränkeln und nicht wieder zu sich kommen, müssen die vorsichtshalber und notfalls ganz raus. Darüber sprechen wir dann aber im Herbst/Winter/Frühjahr.

Interessanterweise kommt mir heute früh öfters der Begriff „Epidemiologie“ in den Sinn. Definition lt. wikipedia: „Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien, zeittypischen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden“. Wobei ich um die Frage kreise, warum von einer Gesamtzahl von Rebstöcken nur ausgesucht einzelne eine Schädigung oder Veränderung aufweisen, obgleich sie von der gleichen Sorte sind wie die anderen, auf dem gleichen Boden und unter gleichen äußeren Bedingungen wachsen und vom gleichen Rebenvermehrer gezogen wurden. Man könnte fast auf die Idee kommen – wie bei Masern oder Mumps?, – dass jeder einzelne Rebstock eine individuelle und in einzelnen, für die Krankheitsanfälligkeit zuständigen Teilen unterschiedliche DNA hat wie auch Menschen unterschiedlich sind und eben auf Pest und Cholera ansprechen oder nicht. Bislang hätte ich so etwas immer nur in Bezug auf Tiere und Menschen vermutet, nicht aber bei Pflanzen.  Aber immerhin wäre das erst einmal nur bedauerlich für das Individuum, aber noch entspannt für den Winzer. Aber so einfach macht es uns die Epidemiologie wahrscheinlich nicht. Die muss wenigstens überprüfen, ob nicht doch „wenn nicht jetzt dann später oder sehr viel später“ (s.o.) etwas überspringt und sich ausbreitet. Beiläufige Grundlagenwissenschaft im Weinberg, wobei der Forscher nicht im weißen Kittel im Labor steht, sondern gerade Chemie auf Weinblätter sprüht.

Eher für uns dokumentiere ich noch kurz die drei auffälligsten Schadensbilder (die offensichtlich von Raupen verursachten Fraßschäden lasse ich mal beiseite, die Würmer verpuppen sich demnächst und dann freuen sich alle über die Schmetterlinge, vor allem ich…)

Starke Gelbverfärbung in allen Pflanzenteilen inkl. den Fruchtansätzen. Möglicherweise Eisenmangel („Chlorose“), interessant hierbei, dass Chlorose nicht zwingend von Eisenmangel im Boden verursacht wird, dass könnte man durch Düngung regulieren. Es scheint aber auch so etwas zu geben wie die Unfähigkeit einzelner Stöcke, das Eisen zu verarbeiten und zu assimilieren. Bei uns sind die Nachbarstöcke der Gelbsüchtigen ja auch grasgrün. Bingo, Herr Epidemiologe.

(Um der etwas skurrilen Möglichkeit dennoch gerecht zu werden, dass an willkürlich ausgewählten Stellen unseres Weingarten weniger Eisen im Boden ist als an allen anderen, rund um die gelben Stöcke ein flüssiges Eisenpräparat in den Boden gegossen. Evtl. aber eine klassische Übersprung- und Verlegenheitshandlung, das Mittel ist eigentlich zum Spritzen auf die Blätter, wo es direkt aufgenommen wird. Ob die Wurzeln mit der gleichen Eisenformulierung etwas anfangen können und den Stoff an die Blätter liefern weiß ich nicht. Ich weiß nur vom Herumrecherchieren, dass man Eisen für die Blätter nicht zusammen oder nach Kupfer ausbringen darf oder soll. Also machen wir den voodoo mit dem Gießen.)

Violette, dann braune Verfärbung der Blätter mit sich ausbreitendem Verwelken und Austrocknen der (ganzen ?) Pflanze einschließlich der noch grünen Trauben. Im Moment ein eigenständig erscheinendes Phänomen, ebenfalls klar auf einige wenige Stöcke begrenzt, evtl. aber auch eine Spielart des Falschen oder Echten Mehltaus (Peronospora/Oidium).

Falscher und/oder Echter Mehltau, „Ölflecken“ (sind das welche?) auf der Blattoberseite, weißer „Pilzrasen“ auf der Unterseite. Tritt in dieser Deutlichkeit in unserem Weingarten nach zehn Jahren zum ersten Mal auf. Ich fürchte nicht zum letzten Mal. Und könnte sich ausbreiten. Hieraus ergeben sich im Moment die ernstesten Konsequenzen: der Weinberg muss wenigstens 1-2 mal pro Jahr öfter als bisher gespritzt werden, im Ernstfall muss jemand eigens dafür aus Frankfurt herkommen.

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12. Juni 2018 – Rebenerziehung geschwänzt, blauer Brief für die Lehrkräfte

<Größere Abbildungen durch Anklicken der Fotos>

Wir sind zurück vor Ort. Hier der angekündigte direkte fotografische Vergleich von Stock Nr. 7 – der mit der grünen Schleife  – im Zustand von heute und von vor acht Wochen (wer kam nur auf die Idee mit ausgerechnet einer GRÜNEN Schleife?) :

Nr. 7 ist nur noch eine schwer abzugrenzende Fläche in einem gewucherten Blatt- und Rankendickicht. Suppentellergroße Blätter über- und untereinander. Daumendickes Holz verdreht und verwachsen, teils ineinander verflochten.Von den im März beschriebenen Knospen oder Augen gehen meterlange Triebe nach oben, links, unten, rechts, wachsen von einer Reihe über den Zwischengang hinweg in die andere.

So sieht es eben aus, wenn ausgerechnet die Lehrkräfte die „Rebenerziehung“ schwänzen. Wir hätten den Trieben eigentlich beibringen sollen, vom „Auge“ aus jeweils senkrecht nach oben zu wachsen, ohne den Nachbartrieb zu berühren. Ohne diese Lektion, ohne sanften Zwang und Fixierung von Anfang an oder gar Herausnahme der Racker, die nicht mitmachen wollen, haben sie sich verhalten wie alle Schüler: sie spielen ausgelassen Nachlauf auf dem gesamten Rebhof. Am Ende der Stämme und Beginn der gebogenen Rebe haben sich dichte  Knäuel von Trieben gebildet. die ausgelichtet werden müssen (auch hier ein Fotovergleich mit dem Stand vor acht Wochen). Nur ein Trieb bleibt und wird voraussichtlich die „Bogrebe“ für das kommende Jahr:

Wir können jetzt nur doch dafür sorgen, allen überschüssigen Pflanzenzuwachs zu entfernen, alles was nach unten hängt irgendwie nach oben zu binden oder zwischen die Drähte zu klemmen und den Durchgang zwischen den Reihen freizuhalten, so dass man bei Bedarf mit der Spritze durchgehen kann.

In Kauf müssen wir nehmen, dass durch das verspätete Hochbinden und ausschneiden die Blätter vorübergehend in die falsche Richtung zeigen und die für die Jahreszeit bereits extrem weit entwickelten  Trauben der Sonne aussetzen. Die Blätter werden sich drehen und es werden welche nachwachsen, die verbogenen Triebe werden sich etwas entspannen und in der neuen Lage einrichten. Im ersten Moment bietet sich aber eher ein Anblick des Grauens. „Winzeranwärter! Gerade noch ausreichend, setzen!“.  Aber so etwa in dieser Art war es in jedem Jahr und durchgekommen sind wir irgendwie immer.

Etwas Nachdenken lässt mich  da schon eher das extrem fortgeschrittene Stadium der  jetzt schon 20 cm langen Fruchtansätze

und dass die Reben jetzt schon „ausgeizen“ und eine zweite Generation Blüten hervorbringen (in den Blattscheiden bilden sich neue Seitentriebe, die sich ihrerseits so verhalten wie die Triebe, die im April aus dem nackten Holz gewachsen sind, nur um etwa 6 Wochen zeitversetzt; die müssen weg!):

Mein Gefühl sagt, dass alles etwa vier Wochen zu früh ist.  Demnach wären die Trauben vielleicht schon Ende August/Anfang September reif. Wir werden aber erst danach wieder hier sein.

Aber nach einigen wetter- und auch launebedingt längeren oder kürzeren Einsätzen sieht die Sache dann doch ganz manierlich aus. Herr Reblehrer hat grobmotorisch hantiert, Frau Lehrerin geduldig das verbliebene Material angeordnet und fixiert. Es folgt in den kommenden zwei Wochen noch eine Runde Ausbrechen der letzten Geiztriebe und sonstiger überzähliger Triebe, Hacken/Auflockern des Bodens (Tagelöhner,  Gott sei Dank!) und die bereits bekannte Kupfer-/Schwefelspritzung. Zwar sehen die Pflanzen im Großen und Ganzen gerade wunderschön und gesund aus*), aber Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad und sehr hohe Luftfeuchtigkeit sind nun einmal die alleridealsten Bedingungen für  die gefürchtete „Peronospera“ (Falscher Mehltau), die Blätter, Blüten, Früchte schädigt und im Extremfall einzelne Pflanzen eingehen lässt. „Peronospora“ – nebenbei bemerkt – für den Winzer ein gehaucht, gestöhnt, gequält und widerwillig hervorgebrachtes Wort wie „Kettensägemassaker“, „Hirntod“ oder „Nebel des Grauens“. Nicht umsonst immer in der lateinischen Form gebraucht. „Mehltau“ klingt einfach zu goldig, nicht gefährlich genug.

*) Kleine Einschränkung: einige wenige Stöcke sind in allen Teilen stark gelb verfärbt, statt grün. Man würde Eisenmangel vermuten („Chlorose“), aber das ist nicht eindeutig. Die betroffenen Stöcke sind offensichtlich stark durch den Winterfrost geschädigt und wirken sehr schwach und gebrechlich.

Nachfolgend noch ein paar Fotos, dann ist das Erste für den Moment erzählt.

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