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Die letzten Reihen sind gebogen und gebunden, fehlende Drähte eingezogen. Wenn das Wetter so sonnig und trocken wie heute bleibt, wird bald noch eine Runde Schwefel und Kupfer auf Triebe und Knospen gesprüht, dann ist hier erst einmal Schicht bis Juni.
Gleich mal aufgemerkt: Schwefel und Kupfer sind voll „bio“! Schwefel vergrellt die Blattgallmilben, die in den Knospen überwintern und reduziert damit später ein wenig die von diesen unsichtbaren Tierchen verursachten Blattschäden („Pocken“). „Ein wenig“ deutet an, dass das Prinzip Hoffnung Teil des Pflanzenschutzes ist. Und Kupfer um diese Zeit einzusetzen, droht auch nur ein wenig und wenig wirksam dem Echten und Falschen Mehltau über eine unbestimmte kalendarische Distanz hinweg, muss diesem aber später nicht einmal tatsächlich wehtun. Solange nämlich überhaupt noch keine Mehltau-Sporen unterwegs und Blätter an den Pflanzen sind, an denen sie sich festsetzen können, ist die Kupferspritzung mehr eine psychologische Maßnahme für den Winzer.
Zum Biegen und Binden sei noch erwähnt, dass wir die so genannten „Bogreben“ nicht mehr wirklich rund und über den „Biegedraht“ nach unten biegen und binden, sondern auf einem höheren Draht flach verlaufen lassen. Das ist eigentlich nicht ganz fachmännisch und Pfusch. Denn wir verzichten auf einen gewissen Effekt mit dem legendären Namen „Saftstau“. Aus der Wurzel gelangen die Nährstoffe durch feine Kapillaren in die Knospen und später in die Blätter und Trauben. Leider hat dabei die am Ende der Bogrebe sitzende und am weitesten vom Stamm entferne Knospe einen strategischen Vorteil, sie bekommt am meisten Nahrung ab. Der Saft aus den Wurzeln rauscht hingegen an den davor gelegenen Knospen im Sauseschritt vorbei und lässt sie weniger gut versorgt zurück als die Mutter aller Knospen am Ende der Nahrungskette. Wenn man nun die Rebe am Anfang biegt und die Flüssigkeitsleitungen etwas quetscht und verengt, läuft der Saft insgesamt langsamer und die zum Stock gelegenen Knospen können besser einen Schluck davon abhaben als ohne den „Saftstau“.
Soweit die Theorie, jetzt die Praxis: wenn wir vorschriftsmäßig nach unten biegen hängen später die reifen Trauben auf einer Höhe, auf der sich Fuchs und Dachs noch nicht einmal auf die Hinterbeine stellen müssen, um uns die Ernte wegzufressen. Daher haben wir entschieden darauf zu verzichten und etwas höher zu gehen. Jetzt müssen Grimbart und der Reineke sich schon etwas mehr anstrengen, wenn sie bei uns im Herbst klauen wollen. Und daran denkt man dann auch schon mal am 2. April.
Merke, lerne und staune: es werden nicht nur zwischen 11:42:42 und 11:42:52 Uhr des gleichen Tages – innerhalb von Sekunden – Effekte und Gewinne erzielt. Vieles braucht Zeit und Geduld. Weinbau ist gelebte Entschleunigung.
Wie viele gute Gründe es aber für unsere Saftstau-Abstinenz gibt zeigen zwei innerhalb von 48 Stunden nach Verfassen dieser Notizen in der Nacht entstandene Fotos. Der Fressfeind schickt seine Später: Fuchs erst einmal nur auf dem Vorbeimarsch, der Dachs hingegen betrachtet wie zur Verhöhnung unserer Maßnahmen schon einmal unseren Rebenaufbau auf der rechten Seite des Fotos und rechnet sich aus wo später die Trauben hängen werden.