Presse  >>  1991  >>  Chronik 1990-2001  >>  Der Chor Frankfurt  >>  wolfgang-barina.de

Laß' und noch einen zwitschern - Der Chor geht aus

 

Starkes Zwitschern
"Der Chor" mit neuem Programm im  Neuen Theater Höchst

Alexander Ullmann, Frankfurter Rundschau (14. Juni 1991)

Ein starkes Stück ist das neue Programm jener Frankfurter Singgemeinschaft, die sich bewußt unzimperlich "Der Chor" nennt. (Es erinnert etwas an den lang verblichenen Slogan "VW. Das Auto"). Es ist und bleibt ein starkes Stück, ein provozierend frisch-freches Programm, das Heckmeck auf vielen verschiedenen Ebenen recht unverdrossen ins Neue Theater katapultiert. Beziehungsreich schon der Titel: "Laß uns noch einen zwitschern."

Dies wird mit verbalem Lokalkolorit wohlumgeben: Ein fingiertes Telefonat, vor dem Vorhang, wird in urigem Frankforderisch zum Prolog, eine Verabredung zum Umtrunk, und die Sänger driften auf die Bühne, die mit knappen, klaren Strichen gezeichnet, sich als veritable Kneipe entpuppt - we heißt sie gleich: "Zum Krokodil". Irgendwo hängt eine Neonschrift , "Dialog der Edelfische"; was das nun wieder meint, wird freilich erst am Ende offenbar.

Das Konzept will mehr als den profanen Chorabend, an dem sich manch Laienensemble von Gastoldi bis Orff entlanghangelt. Immer wieder sucht man die zumindest halbsznenische Aktion, bleibt abendlang amüsant: Nicht nur einfache Gemüter lassen sich von diesem gut pointierten Humor anstecken. Das Kneipenleben im "Krokodil" geht an, das ad hoc versammelte Orchesterlein hangelt sich durch Repertoire, betont locker gibt man sich auf der Bühne, und dann kommt schon der erste Song. Der Kneipier wird zum Dirigenten, ab die Post, aus Bachs Lautenbourrée wird die erste, gepflegte Swingnummer, da ist man völlig unpuristisch, provozierend im Rhythmus, befreit in der Geste, intonatorisch sicher.

Das Chorkonzert wird zur Revue. Anders als bei seinem Debüt in der Hausener Brotfabrik zündet "Der Chor" seine Pointen jetzt mit wachsender Professionalität. Da hat der Leiter des Ensembles, Wolfgang Barina, der einst an der Frankfurter Universität Musikpädagogik studierte, gelungene Aufbauarbeit geleistet, hat sängerische und szenische Aktion zu einem funktionierenden Schlagabtausch verdichtet.

Und so ging das - knapp zwei Stunden lang - immer weiter. Kein Stillstand, kein Verschnaufen für ein gefordertes Ensemble, das mittlerweile so gut aufzuspielen weiß. Man formiert sich zur Kette, zieht durch den Saal, und plötzlich hat jeder ein Silberhämmerchen, das er bedrohlich schwingt. Ach ja, die Beatles und "Maxwells Silver Hammer", das war schon lange nicht mehr da.

Was da noch alles vorkommt, von der Burschenherrlichkeit bis hin zum skurril-makabren "Kriminaltango", man kann es nicht nacherzählen. Wichtig bleibt und richtig ist, daß hier einvöllig neuer Typ Chorkonzert geschaffen wurde, der sich ganz betont und mit beträchtlichem Erfolg an ein Publikum wendet, das Chorkonzerte sonst nie besuchen würde. Ein Konzept, das ähnlich vielleicht der "Frankfurter Kammeroper" Musik zum Anfassen präsentiert. Dies auf gehobener Ebene.

  

Am Stammtisch wird mit viel Raffinesse gegrölt
Ein "Kneipen-Liederabend" im neuen Theater Höchst 

Neue Presse (13. Juni 1991) -SvL

"Laß uns noch einen zwitschern", war das Motto eines Abends, der, angesiedelt zwischen lockeren Plaudereien und Bistro-Tischen und chorischem Grölen auf der Bühne, ein buntes Unterhaltungsprogramm bot, das auf seine raffinierte Niveaulosigkeit mit allem Recht stolz sein darf.

Schlichtweg "Chor" nennt sich die Singgemeinschaft von Laien, die der Spaß am Singen zusammengeführt hat. Das Konzept des Leiters, Wolfgang Barina, ist unkonventionell. Bearbeitungen von Liedern und Chorsätzen, vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, stehen im Vordergrund, werden klanglich verfremdet: allein schon durch den rauchig vernebelten Klangstatus, mit der jeder melodischen Weise der Stempel der Stammtisch-Brüllerei aufgedrückt wird.

Indes, die Ungepflegtheit dieser Singerei ist beabsichtigt: vor allem dann natürlich, wenn die "Klassiker" zitiert werden: etwa Johannes Brahms' Episode aus den Liebeslieder-Walzern "Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten". Gut auskommen gleichwohl kann man mit dieser unorthodoxen Singakademie, der das Musizieren im Laissez-faire-Stil mehr bedeutet als verkrampfte Perfektion.

Die eingestreuten Kalauer runden einen unterhaltsamen Abend ab, der keien hohe Kunst, dafür aber ein Kaleidoskop sängerischer Subkultur darstellt.

 

Laß' und noch einen zwitschern

Programm
Presse

zurück

 

nach oben