Sonntag, 21. Juni 2015
Der Plan
Weiter drauabwärts Richtung slowenische Grenze, soweit wie möglich
Wie es war, was geschah
Gestern in Villach in der Gaststätte der Hofbrauerei ein sehr ordentliches Ribeye mit Pommes und Grillgemüse. Dazu 2 vollmundige aus hell und dunkel gemischte Biere. Den zweiten Teil des Steaks esse ich praktisch schlafend und stelle mir im Zimmer gegen 20 Uhr den Wecker auf das Frauenachtelfinale Deutschland Schweden. Am Morgen weiß ich noch, dass wir 4:1 gewonnen haben und Celia, Anja und Dzseni Tore geschossen haben. Ansonsten habe ich 10 Stunden wohli geschlafen. Von Villach bleibt dann noch, dass viele Informationen, auch die Speisekarten, zweisprachig deutsch und italienisch verfasst sind. Nach ein wenig Nachlesen ist dies weniger auf den Tourismus zurückzuführen als auf die bewegte Geschiche der Region. Dies zeigt sich später im Laufe des Tages noch einmal, plötzlich ist alles deutsch und slowenisch, insbesondere die Ortsschilder, trotzdem ich immer noch in Österreich bin.
Zum Abschied macht die Wetterfee und gleichzeitig Chefin des Hotel Mosser eine klare Ansage: „Das hält.“ Ich mache ehrgeizige Pläne und beschließe soweit wie möglich ohne größere Stopps durchzufahren. Um 9.20 Uhr besteige ich meinen rollenden Wäschetrockner, an den Hörnern des Lenkers flattern die nassen Fahrrradhandschuhe und die Überhandschuhe, die ich gestern zusammengeknäult im Helm vergessen und nicht zum trocknen aufgehängt habe. Nach den üblichen 10 Kilometern schalten die Beine auf Vollautomatik, darum muss ich mich jetzt nicht mehr kümmern und gebe nur noch in der Gegend von Rosegg, als es ein paar Mal die ungeliebten Ausflüge weg vom Fluss in den Hang gibt, die nötigen Befehle zum Schalten oder langsamer fahren.
Das ermöglicht mir heute 109(!) km am Stück mit ganz wenigen Trink- und Fotopausen durchzukurbeln, in netto 6 Stunden 50 Minuten. Mir und den Beinen nach wäre es noch weiter gegangen. Aber unterhalb Völkermarkt werde ich nach etwa 85 km von zwei am Hinterrad klingelnden gerissenen Speichen ausgebremst. Dass ich doch noch 34 km weitergefahren bin, hat mehr damit zu tun, dass ich vorerst nur auf Ortschaften getroffen bin, in denen ich auch um den Lohn eines erhalten gebliebenen Hinterrades nicht übernachten wollte, zudem habe ich auf so etwas einen Gasthof mit gegenüberliegender Fahrradwerkstatt gehofft und den auch gefunden, in Bleiburg. Weil ich mich ebenfalls unterhalb Völkermarkt unachtsam vom Radweg R1 auf R1E, später auch F, G und D, begeben habe, bin weit von der Drau abgekommen und unplanmäßig und unerwartet in Bleiburg gelandet, einer Zufallsbekanntschaft, aus der vielleicht noch etwas größeres werden könnte, vorausgesetzt natürlich, dass die Speichen morgen früh zügig und ordentlich gerichtet werden. Das Rössl, in dem ich abgestiegen bin, ist schon mal ordentlich, wenn auch schlicht. Es gehört zur 30-ÜF-Klasse und hat die entsprechende Küche, die slowenische Bedienung sagt an: „Zum Essen gibt es Cici oder Karte“. Nach einem Blick in letztere entscheide ich mich für die Cevapcici, davor Frittatensuppe, dazu das nun schon zweite formidable Bier der Marke „Puntigamer“. Damit wird der Abend ausklingen.
Vom übrigen Tag noch ein paar Takte zur Drau als solcher, Tierbeobachtungen und der Gegend, in der ich mich bewegt habe.
Die Drau habe ich ja nun seit drei Tagen und seit Toblach nicht mehr verlassen, der Radweg R1 verläuft fast durchgehend nah am Fluss und verlässt ihn selten und wenn, dann auch nicht mehr als für ein paar hundert Meter. Seit Villach bis jetzt ist rechts der Kamm der Karawanken zu sehen, unten bewaldete steil aufsteigende Vorberge, darüber hoch aufragende Felsspitzen. Jenseits ist schon die ganze Zeit die Hochgebirgsregion Sloweniens, ohne es zu sehen passiere ich auf der Kärtner Seite Kranjska Gora, Bled, Kranj und bald wohl auch die Hauptstadt Ljubljana. Links der Drau in etwas das Gleiche, nur ohne Felsspitzen. Ein hoher bewaldeter Kamm liegt ebenfalls vor einem parallelen Nebental, in dem sich der Millstätter und der Wörthersee befinden. Auf meiner jetzigen Position, Bleiburg, sind die Abflüsse der beiden Seen bereits in die Drau geflossen, auch Klagenfurt habe ich bereits passiert. Eine empfehlenswerte Variante meiner Reise könnte sein, in Villach über die Höhe zu Millstätter und Wörthersee zu wechseln und mit deren Abflüssen wieder zur Drau zurückzukommen. Ich selbst war dort aber erst im letzten Herbst und hielt es für verzichtbar, das nun aber wirklich komplett unsägliche Roy Black-Denkmal in Velden ein zweites Mal zu besuchen. Und Klagenfurt? Nun gut, aber Udo Jürgens ist ja nun auch nicht mehr.
Zurück zur Drau. Auf meiner heutigen Etappe ist die mitunter sehr breit und schweigsam geworden. Ihre Oberfläche kräuselt sich mehr vom Wind als der Strömung. Bereits seit kurz hinter Sachsenburg wird der Wasserstand durch Staustufen reguliert, seit Villach reiht sich ein Kraftwerk an das andere. Die Drau ist eine schier endlose Kette von langgezogenen Stauseen, mal sehr breit, mal schmaler. Gerauscht und geplätschert wird jetzt nur noch an „Achtung WEHRSCHWELLE, nicht weiterfahren!“. Das Schild richtet sich natürlich an Bootsführer, enthält aber ein mir bis dato unbekanntes Wort, das reflexartig in mir die Frage auslöste, ob denn ein einzelnes Element einer solchen Schwelle ein Wehrschwellkörper ist. Und ob es aus aufsichtsbehördlicher Sicht auch Bundes-, Landes- und Kreiswehrschwellkörper gibt, am Ende sogar Feuer- und Bürgerwehrschwellkörper.
Zum Schluss für heute etwas aus Flora und Fauna. Gegen Mittag gelang mir auf einem Flussabschnitt namens Rosental, völlig unerwartet die Entdeckung einer gänzlich neuen Tierart, nämlich des Draubentauchers. Diese Beobachtung ist umso höher zu bewerten, als das Tier dem verwandten Haubentaucher zum Verwechseln ähnlich sieht. Es unterscheidet sich aber doch ganz wesentlich dadurch, dass es ausschließlich in Kärnten in der Drau neben Radfahrern schwimmend existieren kann und somit endemisch ist. Einer großformatigen Portraitaufnahme entzog sich das stark entengroße Tier durch einen Tauchgang. als es weit draußen wieder zu Tage trat, gelangen nur wenige, wahrscheinlich unscharfe Aufnahmen mit weit aufgerissenem Teleobjektiv.
Angestachelt durch diese Sensation mache ich mich gleich morgen an die Entdeckung des Draubfrosches und des Drauhfußhuhns. Von Draubfischen möchte ich absehen und über der Wasserlinie bleiben. Leserzuschriften mit Forschungs- und Entdeckungaufträgen sehe ich gerne entgegen. Aber bitte keine so Albernheiten wie „Draubvögel“! Die sind längst alle entdeckt und beschrieben, ausnahmslos, einschließlich der Draubmöwe und des Draubenpiepers. Da ist nichts mehr zu holen.
Die Zahlen
Tageskilometer: 109,5
Gesamtkilometer: 862,5
Fahrzeit heute: 6 Stunden 51 Minuten netto