Von der roten Mainquelle abwärts (Etappe 1)

3. Juli 2019

Creußen – Rotemainquelle – Bayreuth via Mainradweg:
25 km + ca. 10 km Stadtrundfahrt Bayreuth

Morgens Anreise nach Creußen mit ICE bis Nürnberg und Regionalexpress in Richtung Bayreuth.

Die Rotemainquelle ist fast ausgetrocknet. Die Auffahrt von Creußen (Weltstadtbahnhof!) über frischen Schotter und Split ist teilweise nervig, aber bietet weite Rückblicke zum Fichtelberg, dort entspringt der Weiße Main, dessen Quelle ich auslasse.

Der rote Main entspringt oder entrinnt jetzt vor mir einer dünnen Röhre, auf einer schattig bewachsenen schrägen kleinen Felslichtung. Zwei Bankgarnituren, keine Papierkörbe. Wohin mit den Bananenschalen?

Ich bin und bleibe allein. Es ist heiß und riecht nach trockenem Nadelholz kurz vor Waldbrand. Oberhalb der Quelle große Windräder auf der flachen Kuppe.

Abfahrt über den Mainradweg, hier auch lokal BT 11, über Haag. Danach Richtung Unternschreez zuerst steil bergab, dann wie befürchtet doch ein unangenehmer Gegenstich auf die gegenüberlegene Höhe. Danach aber nur noch Rollen lassen bis hinein nach Bayreuth, unterwegs sausen sieben Störche auf einen Streich auf einer frisch gemähten Wiese beim Heu umschichten an mir vorbei. Franken, Land.

Die Einfahrt nach Bayreuth ist wenig festspielmäßig. Umgehungsspangen, verrutschtes Verbundpflaster auf dem gemeinsamen Weg für Radfahrer und Fußgänger in die Innenstadt. Von hier gesehen passt die Stadt zu allen Vorurteilen über den miefigen Wagnerkult, provinziell verbrezelt.

Mein Hotel direkt an der asphaltheißen Kreuzung Kulmbachstr. und Wittelsbachring. Die Rezeption erst ab 17 Uhr, Öffnungszeit des griechischen Restaurants, geöffnet. Ich habe viel Zeit, ziehe die Stadtbesichtigung vor und folge der Ausschilderung zum Festspielhaus. Hinauf auf den Hügel mit reichlich Schwung, der allerdings rechtzeitig etwas unterhalb des Theaters erlischt, so dass ich wie alle Sterblichen demutsvoll aufblickend 200 Meter schieben und schwitzen muss.

Das hilft, die geforderte ehrliche Bewunderung für das Heiligtum auszulösen. Läuterung und Reue für das vor einer  Stunde geäußerte „provinziell verbrezelt“ tritt ein. Wunderbare Anlage, tolle Lage. Im Kopf läuft das Parsifal-Vorpiel an, wo parkt die Kanzlerin? Etwas irritierend nur die um das Festspielhaus prominent, üppig und unübersehbar platzierten Selbstbeschuldigungen der Wagnerbewegung in Sachen Antisemintismus. Der riesige metallene Schreker-Kopf von Richard Wagner auf seiner mächtigen steinernen Säule umstellt von Dutzenden Informationstafeln über jüdische Mobbingopfer von Cosima und Lord Chamberlain. Es führt praktisch eine Schilderallee vom Festspielhaus, Eingang „Mittellogen“ (Kanzlerin, bayerischer MP?), zum Denkmal für den Meister.

Darauf viel Auschwitz, Theresienstadt, Ghetto Lodz u.a. Ein etwas unerwarteter, aber nicht unwillkommener Überfall. Ich muss mal nachdenken. Ist mir aber lieber als germanisch-mysthisches Erlösungsgeschwurbel.

In der Stadt die nächste Freude: die Maximilianstr. mit angrenzenden Altstadtgäßchen finde ich wunderschön.

Ich lasse mich zu einem Cappuchino und Wasser in einem Eiscafe nieder, das Hotel ist immer noch nicht für mich gerichtet. Am Nebentisch zwei säulingsbewehrte Mütter mit enstprechenden Herausforderungen und Strategien: „Ich nehme immer zwei , drei Fläschchen mehr mit. Man weiß ja nie. Wenn Du mal im Stau stehst und der kriegt um 6 sein Fläschchen, ja was machst Du dann?“. Na, die Damen, was wohl? Brust raus, Bauch rein!

Vor mir fahren unglaublich viele, vor allem junge Leute mit E-Bikes durch die Fußgängerzone, trotz offensichtlicher Kurzstrecke. Noch quäle ich mich lieber analog und stolz von Creußen auf die Rotmainquelle. Ab morgen wird’s und bleibt es hoffentlich flach bis dahin wohin mich in den kommenden Tagen die Reifen tragen.

Jetzt schon zweimal geduscht und gleich hungrigen Schrittes in die nahe gelegene Altstadt. Wohl Weißbier vom Ort. Zu Beißen wird sich auch was finden, sonst Souvlaki.

Es wird Ochsenbrust mit Merrettichsoße und Kloß. Wunderbar. Die „Brauereigaststätte am Markt“ bietet zwar kein eigenes, aber gängiges Markenweißbier von hier an.

Übernachtung im gut belegten, aber etwas verschnarrchten Hotel. Man sollte mal durchlüften: