Tag 14 – Von Maribor nach Donja Dubrava

Mittwoch, 24. Juni 2015

Der Plan

Drauabwärts, Tagesziel wetterabhängig, die. 1.000-Kilometer Marke knacken

Wie es war, was geschah

(Das folgende Stück ist nicht Korrektur gelesen!)

Maribor gegen 8.45 Uhr bei trockenem Wetter verlassen. Den Abend gestern im Zimmer verbracht. Die Innenstadt, wo ich nacn den Eindrücken des letzten Besuches reges Kneipenleben erwartet hatte, war ausgestorben. Die wenigen geöffneten Restaurants und Bars sind gähnend leer und verbreiten Tristesse. Vor einer Bierbeize steht eine Gruppe kalauernder, rauchender Männer, aus der es dröhnt: „I said to him, don’t arrange me any women!“. Ein Busfahrer rast einhändig lenkend um eine Kurve und beißt in die mit der anderen Hand gehaltene Waffel einer Eistüte. Bei Spar kaufe ich Brötchen, Schoko, Schinken und Rotwein. Das war Maribor.

Auf örtlichen Radwegen taste ich mich nach Gefühl aus der Stadt heraus, finde einen Kurs und treffe bald auf einen Radweg, der bis Ptuj ausgezeichnet ist. Was jetzt klar wird: auf der Bahnfahrt von Vuhred nach Maribor habe ich die Alpen im eigentlichen Sinne verlassen. Die Drau durchfließt jetzt ein mitunter 20, 30 Kilometer breites Tal, die höheren Berge auf der Südseite zu meiner Rechten, hinter denen ganz in der Ferne Zagreb liegen müsste, sind manchmal nur noch ganz schemenhaft zu sehen. Die linke Seite des Tals oder jetzt besser der Drauebene bildet eine grüne wald-, wiesen- und weinbestandend endlose Hügelkette, die sich jetzt beinahe bis zur Mündung in die Donau dort halten wird und nördlich der Grenze in Ungarn fortsetzt.

Die Drau – oder das, was von ihr übrig ist – schlängelt sich immer an den Hügeln an der linken Seite des Tals entlang. In ihrem alten Bett gibt sie mit lehmigen Sandbänken und wucherndem Ufergrün eine idyllische Kulisse für Angler ab, hat aber den Großteil ihres Wassers an einen schnurgerade durch die Ebene gezogenen Kanal abgegeben, der zuerst in Slowenien, später in Kroatien jeweils in einen etliche Kilometer langen Stausee übergeht. Aber anders als in Kärnten haben weder Kanal, noch die Stauseen irgendwelche natürlichen Begrenzungen durch Berghänge oder fügen sich in eine Tallandschaft ein. Es sind einfach in der spiegelglatten Ebene Dämme aufgeschüttet, die mit dem minimalen Gefälle immer höher werden. Am unteren Ende stehen sie dann wie gefühlt 20 Meter hohe Badewannen in der Landschaft und speisen wohl meist Kraftwerke. Beim Passieren der Staufstufe vor Donja Dubrava am späten Abend wird mir bei diesem Gedanken etwas plümerant. Ich bin nicht sicher, ob so etwas bei uns genehmigungsfähig wäre. Fast möchte ich die Dämme einem gewissen sowjetischen Gigantismus unterschieben, weiß aber auch, dass die Regulierung der Flüsse in dieser Region – auch weiter nördlich in Ungarn – bereits mit der Industrialisierung, der Trockenlegung der malariverseuchten Flussniederungen und der Erschließung von Verkehrswegen und neuem Ackerland begonnen hat. Das kann also alles durchaus auch schon älter sein.

Die Fahrt entlang der pittoreken Hügelkette führt mich nach Ptuj, später nach Ormoz. Meist fahre ich unten, die wenigen Schnitte in den Hang buche ich heute erstaunlicherweise unter „fun cycling“, sie unterbrechen angenehm die gleichförmige Bewegung. Und ganz neu: wenigstens bis zu einer gewissen Steigung finde ich zunehmend Vergnügen auch am Bergauffahren. Im Flachland rechts jede Kürbisfelder, an der Straße immer wieder Häuser und Höfe, die eigenes Öl pressen und verkaufen. Alles picobello, gediegen, erinnert mich entfernt an kleine Olivenölbetriebe in Istrien.

Kurz vor Ptuj wimmert das Hinterrad wie ein Quietscheentchen. Nachdem es durch Gesundbeten nicht weg geht mal wieder Boxenstop am Wegesrand. Ich muss zwar mal wieder alles abladen, das Rad auf den Kopf stellen, habe aber Glück. Eine Gummimanschette über dem Ende der Achse, von der ich fast denke, dass sie bei der Montage des Reifens hätte entfernt werden sollen, reibt sich an der sich drehenden Nabe. Das ist ja nun gar nichts, Glück gehabt. Ich schiebe das Teil ein wenig nach außen und schon ist Ruhe. (An dieser Stelle fängt das Tablet plötzlich das Sprechen an und eine Dame liest mir meinen Text vor, beinahe flüssig und mit der richtigen Betonung. Sie ist allerdings auch so frech, mir die Tippfehler zu buchstabieren. Ich habe keine Ahnung, welchen Knopf ich versehentlich gedrückt habe. Wer kann helfen?)

Ptuj hätte ich beinahe übersehen oder besser unterschätzt. Es geht eine unscheinbare Straße hintunter, vor mir ragt die wenig interessante Rückseite einer zwar großen, aber nicht umwerfenden Burg auf einem Bergrücken auf. In die dahinter liegende Stadt fahre ich zunächst nicht, der Verkehr wird auf eine triste Umgehung geleitet. Erst am anderen Ende rolle ich zurück in eine kleine Fußgängerzone und fotografiere das imposante Jugendstilrathaus.

Wenige Kilometer nach der Stadt bekomme ich dann doch noch ein paar Informationen. Meine Frage an einen etwa vierzig Jahre alten Mann nach dem Weg wächst sich zu einem dreißigminütigen Gespräch aus. Er spricht perfekt deutsch mit einem hiesigen, wenn auch nicht slowenischen Akzent. Wie ich mütterlicherseits in Ungarn aus einer „schwäbischen“ Familie komme, stammt er hier aus einer „steierischen“ Familie. Und schon sind wir wieder mitten drin in den Wirren des 20. Jahrhunderts in dieser Region. 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, kalter Krieg, Wende. In der KuK-Monarchie war das hier die Untersteiermark. Ptuj war Pettau und „über 800 Jahre unter der Krone“, sagt der Herr, genau wie Marburg, das jetzt Maribor heißt. Dort gab es 10.000 Deutsche. Ich erkundige mich wo genau die alte Grenze von der alten Untersteiermark zum damaligen Königreich Kroatien-Ungarn lag. Wir streifen die Umverteilungen und Staatenneubildung nach dem ersten und die frühe jugoslawisch-sowjetische Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und wissen, dass wir in ein Wespennest gestochen haben und niemals ein Ende finden werden, wenn wir jetzt nicht einfach aufhören. Daher Handschlag, „angenehm“, auf Wiedersehen.

Vom weiteren Weg über das verschlafene Ormoz bis zur Grenze ist wenig zu erzählen, es geht flach wie am Morgen weiter, nach Ptuj fahre ich ein paar Kilometer auf dem dem Damm eines Stausee, danach wieder in der Ebene. Die kroatische Grenze überrascht mich. Vor mir nur ein Zettel mit Ortsnamen, die ich durchfahren will, abgelesen von einer Karte, auf der die Grenzde sehr undeutlich markiert ist. Ausweiskontrolle, dann normal auf der Straße weiter. Bald ein erstes Schild mit Fahrradsymbol und Zielangabe „Donja Dubrava 54 km“. Wie praktisch, das passt, genau meine Richtung. Wie sich im Laufe des Tages herausstellt, bedeutet das nicht unbedingt, dass es über einen Radweg geht, aber ich aber werde auf wenig befahrenen, mal mehr oder weniger guten Nebenstraßen zu weiter entfernten Zielen geleitet, ohne allzu oft die Karte auseinander falten zu müssen.

Mit Überschreiten der Grenze, das wird bald immer deutlicher, bin ich wieder in einer anderen Welt. Nicht nur, dass jetzt gar keine Berge oder Hügel mehr zu sehen sind. Es ist ist hier nichts mehr picobello paletti. Slowenien war in gewisser Weise noch EU-Komfortzone. Jetzt bin ich in Slawonien, dem ärmlichen Norden Kroatiens. Schäbige Dörfer, unverputzte Häuser, Schweineställe. Weniger Ölkürbisse, mehr Kartoffel, Mais und vor allem Kraut. Irgendwo wurde frisch geschnitten, ein Geruch von geknicktem welken Kohl weht über die Straße.

Die letzten 2 Stunden rolle ich – nach über 100 km! – mit erstaunlich hoher konstanter Geschwindigkeit durch das brettflache Land. Das Ziel ist jetzt klar mit Donja Dubrava, der Nähe des Zusammenflusses von Drau und Mur, zumal es auch vorher keine Unterkunft mehr geben wird. Irgendwann unterwegs fällt eher beiläufig die 1.000 km-Marke auf dieser Reise. In Prelog versorge ich mich mit Kuna in bar, am ersten Automaten, der mir seit der Grenze unterkommt.
Eine Stunde später in Donja Dubrava. Der Ort trotz dieses spektakulären Namens so uninterressant, dass es fast schon wiedwr interrsant wird. Ebenso das Hotel Golf, das vielleicht auch eine Geschichte wert wäre, wie überhaupt vieles auf dieser Reise, das nur angeschnitten oder überhaupt ganz ausgelassen wurde,.

Aber morgen geht es gleich weiter. Wie genau wissen vielleicht die Krautbauern, ich weiß es nicht. Auf markierte Radwege kann ich kaum mehr hoffen, klare Linien bieten nur die großen Überlandstraßen, die ich wenn es geht meiden will. Sonst sieht die Landkarte rund um die sich schlängelnde Drau aus wie ein unsortierter Haufen mal dicke, mal dünne Spaghetti.

Hier sind alle meine bisherigen Vorbereitungen zu Ende.

Die Zahlen

Tageskilometer Rad: 137
Gesamtkilometer Rad bis heute: 1.054,5

Fahrzeit Rad heute: um die 8 Stunden, zzgl. Pausen