Montag, 22. Juni 2015
Der Plan
Über die slowenische Grenze, evtl. bis Maribor
Wie es war, was geschah
Bleiburg, 9.40 Uhr
Das Fahrrad ist in der Werkstatt, in 30 Minuten geht es weiter. Unabhängig von den Speichenrissen hatte die Felge hinten wohl schon länger Risse und wäre wohl früher oder später sowieso kaputt gegangen, also gibt es ein neues Laufrad. Zufallsbefund.
Zu Bleiburg habe ich gerade gelesen, dass es hier zu Kriegsende ziemlich brutale Massaker gab. Reste der kroatischen und anderer Armeen, die mit Nazis kollaboriert hatten, waren von alliierten Truppen auf der einen Seite und von der jugoslawischen Befreiungsarmee (Tito?) auf der anderen Seite eingeschlossen. Mit den Alliierten wurde verhandelt, die Gefangengesetzen in Lager Richtung Osten zu deportieren. Es kam dann aber sofort zu Massenerschießungen, die meisten anderen starben auf anschließenden Todesmärschen, Soldaten und Gefangene vieler Nationen. Ich vermute, dass solche und weitere Ereignisse im Hintergrund ganz wesentlich die Geschehnisse im jüngsten Balkankrieg beeinflusst haben. Die Leute hier haben das im Kopf, wir wissen davon nichts.
Vuhred, 16.45 Uhr
Gegen 12 Uhr diesen Montag zum Ausruhtag erklärt, keine Pause, aber easy going.
Abfahrt in Bleifurt gegen 10.30 Uhr, genau 3.570 Meter nach Verlassen der Werkstatt ist der Hinterreifen platt. Nach kurzem Nachdenken und Zögern ist klar, dass ich selbst ran muss. Zurück müsste ich schieben, um nicht Gefahr zu laufen die neue Felge zu ruinieren und es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, dass die Panne etwas mit dem Reifenaustausch von heute früh zu tun hat. Wann in Richtung nach vorne dis nächste Werkstatt kommt ist sowieso unklar.
Ich richte unter der brennenden kärntner Sonne meine plein air-Werkstatt ein und streife die Latex-Handschuhe über. Das eigentlich Lästige ist, dass ich alles Gepäcke herungerschnallen muss und später penibel darauf achten, dass nichts aus den Taschen rollt und vergessen wird. Der Rest ist Routine, nur dass ich das Loch im Schlauch bei einer ersten Sichtung sofort finde, als ich aber mit der erhaltenden Behandlung beginnen will und schon Schmirgelpapier, Kleber und Flicken bereit liegen habe, ist das Loch unauffindbar. Jetzt muss transplatiert werden und ich baue den mitgeführten Ersatzschlauch ein, was ja eigentlich auch schneller geht, aber ich habe jetzt nur noch perforierten Ersatz. Nach 15 Minuten ist alles vorbei, ich packe neu und pumpe mit der kleinen Notpumpe per Hand den reifen notdürftig zum „halbweiche Gurke“-Grad auf. Damit ist der nächste Boxenstopp vorprogrammiert, ich brauche eine richtige Pumpe und außerdem vorsichtshalber einen neuen Ersatzschlauch.
Ich schleiche langsam weiter und interpretiere mal wieder ein Hinweisschild falsch, was mich wunderbare Ausblicke genießen lässt aber auch nochmals eineinhalb Stunden Zeit kostet. Mitten auf der einige hundert Meter langen und ziemlich hohen Jauntal-Eisenbahnbrücke („Fahrradfahren verboten. Fahrrad schieben erlaubt!“) treffe ich auf dem schwindelerregend gewöhnungsbedürftigen Fußgängerstreifen zwei Motorradfahrer, die ihre Maschinen drüben abgestellt haben, um mal herunterzuschauen, in Begleitung von Ötzi von den Enduro Senioren Austria („Dös is unsa Vöein“). Drüben angekommen zeigt der R1 in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Es gibt Häuser, eine Station vom Jauntal Bungy, aber alles ist verlassen. Einer der Kradler ruft für mich „den Peter“ an, der „könd si hiö aus“, der weiß aber nicht so genau. „Der Güntö“ geht nichts ran, was nun?
Da will uns ein bayerisches Radfahrpaar mit auf der Lenkradtasche platzierter Karte passieren, ich grätsche rein, bitte um Karteneinsicht und helfe den beiden ungewollt nicht in die Irre zu fahren. Es geht tatsächlich wieder zurück über die gruselige Brücke. Immerhin gibt es spektakuläre Fotos und die beiden sind froh, das ich sie angehalten habe. Wir sind auf Kurs, Ötzi und Co. werden mit Dank verabschiedet. Kurze Zeit später verabschiede ich mich von den Bayern, sie sind etwas langsamer als ich.
In Lavamünd um 13.30 Uhr endlich Luft für die Gurke und ein neuer Schlauch, ich bin wieder auf der Spur und mit allem Nötigen versorgt. Auch der Hinterreifen hat sich eingefahren, die Bremse kreischt nicht mehr wie eine Hyäne. Jetzt könnte man ein paar Stunden noch etwas reißen.
Bald überfahre ich die slowenische Grenze und freue mich über ein großes blaues Schild mit Fahrradsymbol: „D-3. Maribor 71 km“. Nur hat sich jetzt die Landschaft verändert. Die Drau wird weiterhin gestaut, ist aber sehr schmal geworden, sieht wieder aus wie ein richtiger Fluss und nimmt beinahe die ganze Breite des stark verengten Tals ein. Das müssen sich jetzt Haupt- und Nebenstraßen, die Eisenbahn und auch der Radweg teilen. Der wird jetzt auf die schmalen Erschließungwege der höher gelegenen Höfe und Kleindörfer verlagert und schlängelt sich über Rampen von bis zu 18% auf und ab durch das Gelände, über frostbeuligen Asphalt, über Lehm, durch den Wald, über Wiesen. Oft befinde ich mich weit über dem Fluss mit wunderbaren Ausblicken. Aber ich habe den Radweg nicht mehr exklusiv, die Anwohner fahren nach dem Motto „hier kommt doch nie einer“ immer auf der Ideallinie. Es ist klar, hier geh es nur langsam und mühsam vorwärts.
Bei „D-3. Maribor 47 km“ schenke ich um 16.15 Uhr nach kraftzehrenden 52 km der Penzion Markac in Vuhred mein Vertrauen und beschließe morgen zu sehen wie es weitergeht, minimal nach Maribor. Dort sollten aber solcherlei Bergfahrten für diese Tour abgeschlossen sein.
Derweil geht es auf 18.30 Uhr, die „Kücherin“, die für mich als einzigem Gast für diese Zeit einbestellt ist, sitzt sicher schon im Hubschrauber und wird mir „Karte“ kochen. Das Bier der Marke „Union“ läuft schon jetzt gut aus der Flasche.
Morgen soll es regnen, schaumermal.
Die Zahlen
Tageskilometer: 52
Gesamtkilometer: 917
Fahrzeit heute: keine Auskunft